Akute Pankreatitis Die Chirurgie ist noch lange nicht raus
Die häufigste behandelbare Ursache einer akuten Pankreatitis ist die Choledocholithiasis. Ist der Patient gut operabel, ist eine sofortige laparoskopische Cholezystektomie einer späteren Operation im Intervall vorzuziehen, da die Mortalität geringer ist. Bei Patienten mit hohem OP-Risiko bringt eine Gallenblasendrainage ein vergleichbar gutes Outcome, erklärte Prof. Dr. Alexander Arlt vom Universitätsklinikum Oldenburg.
Ansonsten ist die Frühphase der akuten Pankreatitis eine Domäne der konservativen Therapie mit Analgesie, Volumengabe und Ernährungstherapie. Für eine Antibiotikatherapie gibt es keine klare Empfehlung, wenngleich in der Praxis häufig Carbapeneme eingesetzt werden. Der Viszeralchirurg wird in der Frühphase eventuell gebraucht, falls ein abdominelles Kompartment-Syndrom vorliegt.
Nicht jede Nekrose muss drainiert werden
In der Spätphase, das heißt nach vier Wochen, stehen die Flüssigkeitsverhalte im Fokus der Therapie, das heißt die Drainage von Pseudozysten oder abgekapselten Nekrosen. „Es muss aber nicht jede Nekrose drainiert werden, auch wenn dies heute sehr einfach geworden ist“, so Prof. Arlt. Notwendig ist die Drainage
- bei infizierten Nekrosen (etwa ein Drittel aller Fälle),
- wenn Lufteinschlüsse vorhanden sind oder
- wenn der Patient sich klinisch verschlechtert.
Zur endoskopisch gesteuerten Drainage sollten Plastikstents oder sogenannte Lumen-Apposing-Metallstents (LAMS) eingesetzt werden. Wenn eine Drainagezeit von mehr als vier Wochen zu erwarten ist, sind Plastikstents zu verwenden.
Ist der endoskopische Zugang erschwert, sollte primär eine perkutane Drainage eingelegt werden, sekundär kann man dann den Zugang erweitern und ein endoskopisches oder minimalinvasives chirurgisches Verfahren anwenden. Eine primär endoskopische transgastrische oder transduodenale Nekrosektomie bzw. interventionelle Drainage hat sich bei infizierten Nekrosen oder Pseudozysten dem perkutanen chirurgischen Vorgehen als überlegen erwiesen. Dies liegt vor allem daran, dass die endoskopische Intervention mit weniger Majorkomplikationen einschließlich Fistelbildung behaftet ist als die Chirurgie.
Lässtt man die Fistelbildung unberücksichtigt, ist kein Unterschied mehr sichtbar, sagte Prof. Dr. Werner Hartwig vom Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf. Wie erfolgreich ein endoskopisches Verfahren sei, hänge auch von der Lokalisation und dem Ausmaß der Nekrosen ab. Über den transgastralen Zugang komme man an Prozesse im oberen Pankreasbereich gut heran. Bei tiefer lokalisierten brauche man vielleicht doch eine chirurgische Nekrosektomie.
Aktuelle Langzeitdaten einer randomisierten Studie über sieben Jahre bestätigten, dass die Endoskopie der Chirurgie nur darin überlegen war, dass weniger pankreatokutane Fisteln auftraten. Weder bei der Gesamtmortalität noch im Hinblick auf Majorkomplikationen, die Anzahl der Interventionen oder Krankenhausaufenthaltsdauer war ein signifikanter Unterschied zu sehen.
Ein komplizierter Verlauf mit infizierten Nekrosen ist selten
Manchmal ist eine retroperitoneale Nekrosektomie auch zusätzlich zu Drainage und endoskopischer transgastraler Therapie erforderlich, um nach kaudal ziehendes nekrotisches Material zu entfernen, das auf transgastralem Weg schlecht erreichbar ist, so Prof. Hartwig. Ein primäres offenes operatives Vorgehen ist auf Ausnahmefälle beschränkt. Sekundär muss offen operiert werden bei refraktärem abdominellen Kompartment, Komplikationen wie Darmperforation, bei Passagestörungen oder persisiterenden enterokutanen Fisteln.
In den meisten Fällen wird eine akute Pankreatitis unter konservativer Therapie einen milden Verlauf nehmen und ausheilen. Ein komplizierter Verlauf mit persistierendem Organversagen und infizierten Nekrosen und erhöhter Mortalität ist selten. Welcher Patient solche Komplikationen entwickeln wird, ist im Voraus bisher leider nicht abzuschätzen.
Quelle: Kongressbericht Viszeralmedizin 2022