Digital, intelligent, sicher: Zwei aktuelle Projekte zeigen die Medizin der Zukunft
Melanome werden hierzulande in erster Linie bei der Dermatoskopie entdeckt. „Deren Sensitivität liegt aber meist unter 80 %, selbst wenn Fachärzte die Untersuchung durchführen“, sagt Dr. Titus Brinker vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Heidelberg. Zusammen mit seinem Team setzt er auf intelligente Algorithmen, um die Untersuchungsqualität zu verbessern.
Zweitmeinung vom Kollegen Computer
Für eine Studie hatten die Heidelberger eine Künstliche Intelligenz (KI) zur Detektion von Hautkrebs trainiert. „Dazu präsentierten wir der Software Fotos von Hautveränderungen, deren Dignität bioptisch gesichert war“, erklärt Dr. Brinker. Anschließend ließ man andere Bilder von Melanomen und Nävi durch die KI und durch dermatologische Fachärzte interpretieren. „Dabei lieferte die Software signifikant sensitivere und spezifischere Ergebnisse“, berichtet der Experte. „Damit haben wir erstmals signifikant gezeigt, dass eine KI dem ärztlichen Urteil bei der Entscheidung zwischen Melanom oder gutartigem Nävus systematisch überlegen ist.“ Die Studie ist bereits zur Publikation eingereicht.
Dr. Brinker sieht einen Vorteil der KI darin, dass sie Bilder anders analysiert als der Arzt und daher anders zu einer Entscheidung kommt; zum Beispiel bei histologischen Schnitten von Biopsien: „Während der Arzt etwa nach erhöhter Zelldichte oder destruierendem Wachstum sucht, bewertet die KI Interaktionen auf der Pixelebene“, erklärt der Experte. „Wir erhalten damit praktisch eine Zweitmeinung.“
Trotzdem möchte Dr. Brinker die KI vor allem als qualitätssicherndes Assistenzsystem verstanden wissen. Denn auf seltene Krankheitsbilder, von denen es nicht genügend Bildmaterial gibt, kann die KI nicht vorbereitet werden. Als Beispiel nennt Dr. Brinker amelanozytische Läsionen. „Um sie zu erkennen, braucht es die klinische Erfahrung“, so Dr. Brinker. „Und die ist eben very Big Data.“
Datensouveränität erweitert den Datenschutz
Ein weiteres zukunftsweisendes Projekt ist DataBox des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Dabei handelt es sich um einen Online-Datenspeicher, der sämtliche Befunde in digitalisierter Form enthält – seien es nun MRT-Bilder, Laborwerte, genomische Daten oder Arztbriefe. „Der Patient soll diese Daten selbst verwalten und entscheiden, wann er sie wem zugänglich macht“, sagt Dr. Stefanie Rudolph, die das Projekt für das DKFZ zusammen mit den Partnern SAP und Siemens Healthineers koordiniert. Darüber hinaus soll der Patient die Möglichkeit haben, seine DataBox-Daten auch für die Forschung zu öffnen.
Derzeit prüfen die Projektpartner die Machbarkeit. Dazu wurden Krebspatienten des NCT Heidelberg zwischen 20 und 85 Jahren zur Bedieneroberfläche und zur Nutzerfreundlichkeit befragt. „Die allermeisten begrüßten es, dass sie dank DataBox nicht mehr mit Armen voller Ordner von Arzt zu Arzt laufen müssen und dann doch etwas vergessen haben“, fasst Dr. Rudolph zusammen.
Sie rechnet damit, dass nun jeden Augenblick auch die Testphase beginnen kann. Darin wird DataBox für Lungenkrebspatienten vom nationalen Netzwerk für Genomische Medizin (nNGM) in Köln geöffnet, kontinuierlich weiterentwickelt und auf den konkreten Nutzen geprüft. „Wir hoffen, dass durch DataBox die Patientenzufriedenheit steigt, die Zahl unnötiger Doppeluntersuchungen sinkt, die Therapie besser individualisiert werden kann und der Einschluss in Studien vereinfacht wird“, sagt Dr. Rudolph. Und dann wird DataBox sicher auch für Patienten mit anderen Krebsentitäten verfügbar sein.
5. Internationales Symposium „Innovations in Oncology“
- Voraussetzungen für die Vision-Zero
- Prävention und Früherkennung
- ASCO-Hotline mit Highlights vom amerikanischen Krebskongress und vom EHA
- Innovative Therapiekonzepte
- Smart Data in der Onkologie
Vorbericht – Symposium „Innovations in Oncology“