Kutanes Mikrobiom Ein Universum für sich
Die Mikrobiomforschung gibt es schon seit der Erfindung des Mikroskops im 17. Jahrhundert. Obwohl man sie daher eigentlich als alten Hasen bezeichnen könnte, hat sie sich inzwischen zum dynamischsten Feld in der gesamten medizinischen Wissenschaft nach COVID entwickelt, erklärte Professor Dr. André Gessner vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Regensburg. Die Forschung hat längst auch das Interesse der Öffentlichkeit geweckt, allein bei Youtube gibt es mehr als 75.000 Videos dazu.
Das Mikrobiom besteht nicht nur aus Bakterien. Es gibt noch Viren sowie die Meiofauna, bestehend aus Einzellern und Pilzen. „Allein im menschlichen Mund leben über 70–80 verschiedene Pilzarten“, betonte Prof Gessner. Und die Mikroorganismen haben die Oberhand: „1013 humanen Zellen stehen mindestens genauso viele Bakterien gegenüber.“ Hinzu kommen etwa 1015 Viren sowie eine bisher noch nicht klar definierte Masse an Pilzen (mind. 1012) und Protozoen. „Die genetische Information, die diese Organismen tragen, ist um den Faktor 100 oder noch mehr größer als unser eigenes Genom.“ Der interindividuelle genetische Unterschied zwischen zwei Personen liegt etwa bei 0,1 %, im Mikrobiom geht man von 60–70 % aus.
Es gibt keine sterilen Körperregionen
Man weiß durch das Human Microbiome Project (s. Kasten), dass sich das Mikrobiom auch bei verschiedenen Krankheiten unterscheidet. Außerdem wurde klar: Mikroorganismen sind überall. „Selbst Körperregionen, über die wir früher gelernt haben, sie seien steril, sind es ganz und gar nicht“, so der Experte. Gleichzeitig hat man je nach Körperbereich individuell verschiedene Bakterienkompositionen. Das gilt insbesondere für die Haut, da die Standortfaktoren (pH-Wert, Feuchtigkeit, Expression von Defensinen) zum Teil deutlich variieren.
Warum hat dieses Feld derart Fahrt aufgenommen?
Das Hautmikrobiom wieder ins Gleichgewicht bringen
Therapeutisch kann man beispielsweise bei Neurodermitikern über eine topische Basispflege oder systemische bzw. topische antiinflammatorische Wirkstoffe gegensteuern. „Wir können natürlich auch versuchen, die Dysbiose der Haut selbst zu korrigieren“, erklärte Prof. Gessner. Dazu tragen in einem multimodalen Therapiekonzept Probiotika bei – ähnlich wie es bereits bei manchen Darmerkrankungen üblich ist, nur topisch.Quelle: DERM Frankenthal 2021