Enzephalitis durch Spitzmaus: Infektion mit dem Bornavirus endet meist tödlich
Vor allem Pferde, Schafe und andere Nutztiere sind von der Borna-Krankheit betroffen. Auslöser ist das Borna Disease Virus 1 (BoDV-1). Als natürliches Reservoir des Erregers gilt die Feldspitzmaus, für eine Übertragung genügt der Kontakt mit den Ausscheidungen der infizierten Insektenfresser. Eine Ansteckung über andere erkrankte Tiere wird bislang ausgeschlossen.
Seit 2018 weiß man, dass BoDV-1 auch auf den Menschen übergehen kann. Damals hatten sich neben zwei weiteren Personen drei Patienten durch die Transplantation von Organen eines BoDV-1-infizierten Spenders angesteckt. Die beiden Nierenempfänger starben an der resultierenden Enzephalitis, der Empfänger der Leber überlebte mit Folgeschäden. Privatdozent Dr. Hans Helmut Niller, Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Universität Regensburg, und Wissenschaftler weiterer deutscher Forschungseinrichtungen fügen nun acht neue Fälle hinzu. Wie die bereits bekannten, stammen auch diese aus Bayern.1
Sechs der Infektionen fanden die Forscher in den Gewebeproben von 56 Enzephalitis-Patienten, welche die Universität Regensburg zwischen 1995 und 2019 zur Virusdiagnostik zwecks Ursachenabklärung erhalten hatte.
Steckbrief BoDV-1-Infektion
- Ansteckung: Kontakt mit infizierten Feldspitzmäusen oder deren Ausscheidungen
- Symptome: initial Kopfschmerzen, Fieber, allgemeines Krankheitsgefühl; später neuronale Symptome wie Verhaltensauffälligkeiten, Sprach- und Gangstörungen, Koma
- Therapie: keine spezifische vorhanden
- Prognose: sehr schlecht, fast immer tödlicher Verlauf
- Risiko: besteht v.a. bei Gartenarbeit, Aktivitäten im Freien sowie in Land- und Forstwirtschaft insbesondere in Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen; insgesamt aber sehr gering
- Prävention: Spitzmäuse nicht mit bloßen Händen anfassen; nach Spitzmausbefall beim Reinigen Gummihandschuhe und Mund-Nasenschutz tragen; Staubentwicklung verhindern; Oberflächen mit Haushaltsreiniger säubern; nach staubigen Arbeiten sofort duschen und Kleidung reinigen; Futterquellen der Mäuse im Umfeld entfernen (z.B. Hunde- und Katzenfutter)
Todesfälle trotz Therapie mit Virostatika
Da erst seit September 2018 routinemäßig auf BoDV-1 getestet wird, erfolgte die Analyse dazu bei dem Großteil der Proben nachträglich an archiviertem Material. Auffälligerweise ließ sich BoDV-1 nur bei Personen feststellen, die an einer Gehirnentzündung bis dahin unbekannter Ursache verstorben waren. In den übrigen Proben – auch in denen von Patienten mit zuvor klarer Diagnose – ließ sich das Virus nicht nachweisen. Material von zwei weiteren BoDV-1-positiven Toten stammte aus den beiden Münchener Universitäten. Von den acht neuen Fällen hatten sechs zunächst an Kopfschmerzen und Fieber gelitten, bevor sich zunehmend neurologische Symptome wie Gangunsicherheit, Verwirrung, Krampfanfälle und fortschreitender Bewusstseinsverlust einstellten. Jeder wies mit der Zeit Verlangsamungen im EEG auf. Bei sieben lagen zudem initial die Leukozyten, die Laktat- sowie die Proteinkonzentrationen im Liquor über dem Normwert und stiegen während des Verlaufs weiter an. Außerdem wurde bis auf eine Ausnahme bei allen eine intrathekale Immunglobulinsynthese nachgewiesen. Virus-RNA fand sich meist in moderater bis sehr hoher Konzentration im Hirngewebe, in schwächerer Form teilweise auch im Liquor, jedoch nicht im Serum oder nicht-neuronalen Gewebe. Serum oder Cerebrospinalflüssigkeit enthielten aber teils hohe Titer von Antikörpern gegen BoDV-1, was bei den Patienten ohne Infektion nicht zu beobachten war. Trotz Behandlung mit Antibiotika und Aciclovir beziehungsweise Ganciclovir und teilweise weiteren Wirkstoffen verschlechterte sich kurz nach der stationären Aufnahme der Zustand rapide, sodass die Patienten meist in tiefes Koma fielen und innerhalb von 16–57 Tagen starben. Ab dem 1. März gibt es eine Meldepflicht.Alle haben sich unabhängig voneinander angesteckt
Interessanterweise waren auch unter den acht neu entdeckten Fällen zwei Transplantatempfänger. Eine Übertragung vom Donor auf die Rezipienten konnte allerdings ausgeschlossen werden. Vielmehr zeigten Vergleiche der Nukleinsäuresequenzen, dass sich alle Erkrankten unabhängig voneinander in der Nähe ihres Wohnorts angesteckt haben dürften. Die meisten lebten in ländlichen Gebieten oder am Stadtrand, arbeiteten in der Landwirtschaft und/oder waren viel draußen. Ob es weitere, bislang nicht diagnostizierte Fälle gibt, bleibt unklar. Um genauere Daten zu Infektionen beim Menschen zu erhalten, tritt zum 1. März 2020 eine Meldepflicht in Kraft.2 „Wichtig ist, dass gerade Fälle von unklarer Enzephalitis in Gebieten, in denen BoDV-1 vorkommt, auf das Virus untersucht werden“, schreibt Professor Dr. Martin Beer, Institut für Virusdiagnostik am Friedrich-Loeffler-Institut, in einer begleitenden Pressemitteilung. Zu den Risikogebieten gehören hierzulande Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie Teile angrenzender Bundesländer.1. Niller HH et al. Lancet Infect Dis 2020; pii: S1473-3099(19)30546-8; DOI: 10.1016/S1473-3099(19)30546-8
2. Pressemeldung Friedrich-Loeffler-Institut