Geht Gras an die Nieren? Erhöhte Infarktgefahr durch Cannabis vermutet

Autor: Dr. Vera Seifert

Dass Cannabiskonsum ein kardiovaskulärer Risikofaktor ist, weiß man inzwischen. Dass Cannabiskonsum ein kardiovaskulärer Risikofaktor ist, weiß man inzwischen. © Kitreel - stock.adobe.com

Dass Cannabiskonsum ein kardiovaskulärer Risikofaktor ist, weiß man inzwischen. Womöglich ist aber nicht nur das Herz, sondern auch die Niere gefährdet, wie der Fall eines Patienten zeigt. Der 40-Jährige litt seit drei Monaten unter rechtsseitigen Flankenschmerzen. 

Weil sich die Beschwerden während der letzten 1,5 Tage deutlich verschlimmert hatten, suchte er Hilfe in der Notaufnahme, berichten Dr. Oliver Kolks und Kollegen vom Klinikum Hochsauerland – Karolinen-Hospital in Arnsberg.

Die Laborwerte wiesen mit Leukozytose und erhöhtem CRP auf einen entzündlichen Prozess hin. Außerdem waren LDH und CK erhöht. Im Ultraschallbild zeigten sich keine erweiterten Nierenkelche, was gegen eine Nierenkolik sprach. Allerdings fiel ein hypodenser oberer Nierenpol auf der rechten Seite auf – ein Hinweis auf einen Infarkt. Das CT-Angiogramm bestätigte diesen Verdacht. Einer der drei Äste der rechten Arteria renalis war zum Teil durch eine Thrombose verlegt. Eine Emboliequelle konnten die Ärzte nicht ausfindig machen. Weder fanden sie ein Aneurysma oder Ulkus der Aorta noch ein persistierendes Foramen ovale oder einen Ventrikelseptumdefekt. Zudem gab es keine Hinweise auf Rhythmusstörungen, eine tiefe Beinvenenthrombose oder angeborene Gerinnungsstörungen.

Deutliche Besserung unter konservativer Therapie

Da sich das Krankheitsbild nicht akut entwickelt hatte, die Retentionswerte stabil und die Diurese normal blieben, entschloss sich das Angiologenteam, zunächst konservativ zu behandeln. Der Patient erhielt Infusionen, Analgetika, Antibiotika und eine Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin. Seine Laborwerte wurden engmaschig überwacht. Entzündungswerte, LDH und CK fielen deutlich ab, die Beschwerden besserten sich.

Noch immer aber war die Ursache des Niereninfarkts nicht geklärt. Auch kardiovaskuläre Risikofaktoren in der Anamnese ließen sich bei dem Patienten nicht eruieren. Er hatte lediglich über einen gelegentlichen Nikotin- und Alkoholkonsum berichtet. Der Mann betrieb regelmäßig „mixed martial arts“, einen Kampfsport mit Schlag-, Tritt- und Bodenkampf. Ein Trauma während des Trainings wurde aber von dem Patienten verneint. Cannabiskonsum stritt er zunächst ab, gab später aber zu, täglich einen bis zwei Joints zu rauchen.

Der Niereninfarkt ist ein seltenes Ereignis, erklären die Angiologen. Ein Zusammenhang mit Cannabis wurde bisher nur in Einzelfällen beschrieben. Bei diesen Kasuistiken bestanden jedoch kardiovaskuläre Risikofaktoren wie exzessiver Nikotinkonsum mit KHK und pAVK in der Vorgeschichte oder ein Antiphospholipidsyndrom.

Möglicherweise kann Cannabis durch eine periphere Vasodilatation, eine funktionelle Anämie sowie den adrenergen Effekt zu einer Thrombose führen. Beweisen lässt sich dieser Zusammenhang bislang nicht. Die Autoren fürchten, dass diese Komplikation mit der Legalisierung von Cannabis zunimmt, und raten dazu, darüber entsprechend aufzuklären. 

Quelle: Kolks O et al. Dtsch Med Wochenschr 2024; 149: 1420-1422; doi: 10.1055/a-2406-6891