Legalisierung von Cannabis: Ein bisschen Gras muss sein?

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Legalisierung von Cannabis: Aus den USA weiß man, dass seit der Freigabe mehr Jugendliche kiffen. Legalisierung von Cannabis: Aus den USA weiß man, dass seit der Freigabe mehr Jugendliche kiffen. © iStock.com/Zbynek Pospisil

Argumente für die Legalisierung von Cannabis gibt es eine Menge – doch dagegen spricht mindestens ebenso viel. Die Diskussion um die Freigabe des Krautes macht deutlich, wie komplex und vielschichtig Drogenpolitik ist.

Aus ihrer langjährigen psychiatrischen Erfahrung in Klinik und Praxis präsentierte Dr. Kirsten­ Kappert-Gonther, Berlin, gute Argumente für eine kontrollierte Freigabe von Cannabis für Erwachsene. Seit Hanfpräparate in Deutschland medizinisch indiziert verordnet werden können, habe sich gezeigt, dass der Gehalt an Cannabinol, Tetrahydrocannabinol und Terpenen entscheidend nicht nur für die Wirkung, sondern auch für das Nebenwirkungsprofil ist. Die Zusammensetzung der Droge sei bei Schwarzmarktprodukten jedoch völlig unbekannt, gibt die Kollegin zu bedenken. Oft seien auch synthetische Cannabinoide und andere suchtauslösende Substanzen beigemischt, manchmal sogar gemahlenes Blei oder Glas.

Illegaler Handel fördert psychische Erkrankungen

Etwa 6 % der Konsumenten entwickeln Cannabis-induzierte psychische Erkrankungen. Doch dieses Risiko steige unter den Bedingungen des Verbotes an, weil die Nutzer sich auf dem illegalen Markt versorgen müssen. Auch Minderjährige hätten keine Schwierigkeiten, an Cannabis unklarer Zusammensetzung zu kommen. Denn kein Dealer lasse sich den Ausweis zeigen, bevor er seine Ware abgibt. Diese Risiken der Prohibition waren ausschlaggebend dafür, dass z.B. Kanada kürzlich Cannabis kontrolliert freigegeben hat, ähnlich wie es auch die Grünen im Bundestag für Deutschland vorschlagen.

Die Expertin erwartet sich von der staatlichen Kontrolle, dass der Schwarzmarkt erheblich geschwächt wird, da dieser zu 60–80 % auf Cannabis basiere. Dies trage wiederum dazu bei, Kinder und Jugendliche stärker vor dem Einstieg in den Drogenkonsum zu schützen. Und Erwachsene, die sich an kontrollierten Abgabestellen versorgen, wüssten genau, was sie dort bekommen. Dr. Kappert-Gonther sieht auch politisch-gesellschaftliche Vorteile durch die kontrollierte Cannabisabgabe. Polizei und Staatsanwaltschaften würden erheblich entlastet, wenn sie sich nicht mehr mit der Strafverfolgung von Konsumenten beschäftigen müssten.

Seine jahrelange wissenschaftliche Beschäftigung mit Cannabis und die klinische Erfahrung mit Drogenabhängigen lässt Professor Dr. Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter des Suchtbereichs am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, zu einem ganz anderen Schluss kommen. „In der Suchtabteilung unseres Klinikums betreuen wir jährlich 1200 Patienten, die zu uns kommen wegen Folgestörungen des Cannabiskonsums“, berichtete er. Eine Legalisierung führe seiner Ansicht nach unweigerlich zu einem Anstieg von Konsum und Missbrauch auch durch Jugendliche. Dies habe das Beispiel von Staaten mit Legalisierung in den USA ganz klar gezeigt. Auch in Europa liegen die Prävalenzen beim Cannabiskonsum in Ländern mit einer liberalen Drogenpolitik erheblich höher als in Deutschland.

Man solle sich auch nicht vormachen, dass eine Altersbeschränkung für die Abgabe von Cannabis auf Personen jenseits des 18. Lebensjahres Kinder und Jugendliche schütze. Denn keiner könne verhindern, dass die legal erworbenen Drogen an Jüngere weiterge­reicht werden. Auch Alkohol dürfte schließlich nur an Erwachsene abgegeben werden. Das verhindere aber nicht, dass sich Jugendliche ins Koma saufen.

Legalisierung von Cannabis konterkariert Erfolge der Drogenpolitik

Mit dem erhöhten Konsum steige die Prävalenz von Folgeschäden an, auch das hätte, so Prof. Thomasius weiter, die Entwicklung in den US-amerikanischen Staaten gezeigt, in denen Cannabis legal ist. Es treten mehr Psychosen, mehr Suizide und mehr Verkehrsunfälle unter dem Einfluss der Droge auf, und es gebe mehr Entwicklungsstörungen bei Jugendlichen. Natürlich führen diese Folgeschäden auch zu Behandlungskosten und Arbeitsunfähigkeiten.

Und schließlich: Der bisher erfolgreiche Kurs der Drogenpolitik in Deutschland würde durch eine Legalisierung konterkariert. Immerhin sei es der aktuellen Drogenpolitik zu verdanken, dass die Cannabis-Konsumquoten in Deutschland im europäischen Vergleich sehr niedrig liegen, und dass es das breiteste Therapieangebot für Abhängige gibt. Im Hinblick auf die massenhaften Gesundheitsschäden durch Tabak und Alkohol wäre es für Prof. Thomasius ein gesundheitspolitisches Paradoxon, nun auch Cannabis-bedingten Gesundheitsschäden durch eine Legalisierung Vorschub zu leisten.

Aus den genannten Gründen lehnen auch kinder- und jugendpsychiatrische Fachgesellschaften eine Legalisierung strikt ab. „Das sogenannte Cannabiskontrollgesetz der Grünen ist für mich eher ein Cannabiskonsumanreizgesetz“, schloss der Referent. Denn die Kontrolle würde durch dieses Gesetz nicht erhöht, sondern schlicht aufgegeben. Und die Chance, Abhängige Therapieangeboten zuzuführen, würde damit ebenfalls vertan. Denn dies funktioniere nur, wenn die Strafbarkeit grundsätzlich bestehen bleibt und gerichtliche Auflagen verfügt werden können.

Den Vorschlag der FDP, regionale Modellprojekte für die kontrollierte Freigabe zu initiieren, hält Prof. Thomasius für voreilig. Man könne sich doch entspannt zurücklehnen und erst einmal abwarten, wie sich das riesige Modellprojekt Kanada entwickelt.

Quelle: DGPPN* Kongress 2018

* Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde