Mit Cannabis geht es Schmerzpatienten eher schlechter als ohne

Autor: Maria Fett

Da sind Patienten wohl auf dem falschen Dampfer. Statt einer Linderung, tritt mit Cannabis anscheinend eine Schmerzsteigerung ein. Da sind Patienten wohl auf dem falschen Dampfer. Statt einer Linderung, tritt mit Cannabis anscheinend eine Schmerzsteigerung ein. © iStock.com/BraunS

Patienten mit chronischen, nicht krebsbedingten Schmerzen scheinen kaum von Cannabis zu profitieren. Im Gegenteil: Nach vier Jahren Eigentherapie haben Hanfkonsumenten stärkere Schmerzen und häufiger Angst als die Kontrollgruppe.

Ärzte und Patienten versprechen sich einiges von Cannabis sativa. Besonders groß sind die Erwartungen in der Schmerztherapie. Die Ergebnisse einer jüngst veröffentlichten prospekiven Kohortenstudie könnten diese Hoffnungen jedoch rasch in Rauch aufgehen lassen. Ihnen zufolge scheinen Pflanzendrogen aus Cannabis chronische Schmerzen nämlich nicht so wirksam zu lindern wie vielfach angenommen.

Die 1514 Teilnehmer der Untersuchung1 litten im Durchschnitt zehn Jahre unter nicht krebsbedingten Schmerzen und wurden seit durchschnittlich vier Jahren mit etwa 75 mg/Tag oralen Morphin­äquivalenten behandelt. Das Team um Dr. Gabrielle­ Campbell­ vom National Drug and Alcohol Research Centre, University of New South Wales in Sydney, ging der Frage nach, wie sich Hanfdrogen auf die Schmerzen der Betroffenen, ihren Alltag und den Opioidbedarf auswirkten.

Jeder Vierte hat sich Hanf(-produkte) besorgt

Nach vier Jahren gab knapp ein Viertel der Patienten im Alter von rund 60 Jahren an, bereits Präparate aus der Hanfpflanze zur Schmerzlinderung genutzt zu haben. Das Interesse an der vermeintlichen Alternative zu den ärztlich verordneten Opioiden hatte sich in dieser Zeit fast verdoppelt (60 % vs. 33 %).

Unabhängig davon, ob sie Cannabis selten oder nahezu täglich konsumierten, berichteten die Anwender aber von mehr Schmerzen (Relatives Risiko, RR: 1,14 bzw. 1,17), mehr schmerzbedingten Beeinträchtigungen (RR: 1,21 bzw. 1,14) und von mehr Ängsten (RR: 1,07 bzw. 1,10) als diejenigen, die sich die Droge nicht beschafft hatten. Auch gaben die Cannabisverbraucher an, schlechter mit ihren Schmerzen zurechtgekommen zu sein (RR: 0,97 bzw. 0,98).

Epileptikern hilft's offenbar

Kürzlich analysierte ein Übersichtsartikel der WHO* den potenziellen Nutzen des Cannabidiols (CBD), der wesentlichen nicht-psychoaktiven Komponente der Hanfdroge, bei Epilepsie. Der Arzneistoff soll demnach positive Effekte auf die Anfallshäufigkeit und -stärke haben, so das vorläufige Fazit der Autoren. Insgesamt ist die Wirkweise der Cannabinoide insgesamt aber noch recht wenig verstanden. CBD gilt als gut verträglich und hat ein gutes Sicherheitsprofil.

* WHO Cannabidiol (CBD) Critical Review Report. Geneva: World Health Organi­sation, 2018

Das passte zu der Beobachtung, dass die Droge offenbar keinen Einfluss auf den Opioidbedarf der Kranken hatte. Auf Grundlage dieser Ergebnisse gebe es also keine Hinweise darauf, das die Hanfdrogen chronische, krebsunabhängige Schmerzen lindern könnten, so das Resümee der Autoren. Zwar werden die Cannabinoide wegen ihres geringeren Abhängigkeitspotenzials und der geringeren Gefahr von Überdosen bereits als Alternative zu den Standardopioiden gehandelt2, schreiben die Gesundheitswissenschaftler Ian Hamilton und Dr. Suzanna­ H. Gage der Universitäten New York und Liverpool.

Form und Häufigkeit des Konsums in Studie ungewiss

Doch auch sie dämpfen die Erwartungen sowohl an die Pflanzen­droge als auch an die Cannabinoide als isolierte Wirkstoffe. Mit Hinweis auf die Beobachtungsstudie von Dr. Campbell und Kollegen geben sie aber auch zu bedenken, dass deren Ergebnisse auf Patientenbefragungen beruhen und daher vorsichtig interpretiert werden sollten. Weder lasse sich sagen, wie oft die Schmerzpatienten die vermeintliche Opioidalternative tatsächlich eingenommen noch welche Cannabissorten oder -zubereitungen sie konsumiert hatten. Beides aber habe maßgeblichen Einfluss auf den möglichen analgetischen Effekt.

1. Campbell G et al. Lancet Public Health 2018; 3: e341-e350
2. Hamilton I, Gage SH. A.a.O.: e309-e310