60 000 Rezepte für Cannabis im ersten Quartal 2019 ausgestellt
Zwar ist Cannabis bereits seit März 2017 zugelassen und findet bereits breite Anwendung in der Medizin. Doch noch immer fühlen sich viele Ärzte und Apotheker bei der Rezeptierung der verschiedenen Zubereitungen nicht ausreichend informiert. So bestehen Fragen, welche Anwendungsformen – von der getrockneten Blüte über die Verdampfung des Extrakts bis zur oralen oder gar rektalen Anwendung – sich für welche Indikation am besten eignen.
Dennoch verschrieben im ersten Quartal 2019 Ärzte knapp 60 000 Rezepte. Die Krankenkassen lehnten jedoch die Kostenübernahme für jede dritte Verordnung ab. „Es fehlt an Evidenz“, kritisierte Professor Dr. Ulrich W. Preuß von der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Universität Halle.
Immerhin moderate Daten existieren für die Therapie des chronischen und des neuropathischen Schmerzes sowie der Spastizität bei Multipler Sklerose (MS). Geringe hingegen für MS allgemein, Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit beispielsweise im Falle einer Chemo oder HIV sowie für psychische Erkrankungen. Das gilt ebenfalls für chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Reizdarm, Chorea Huntington, Morbus Parkinson oder Epilepsie – alles Indikationen, für die randomisiert-kontrollierte Untersuchungen durchgeführt wurden. Zulassungsstudien für den medizinischen Einsatz von Cannabis fordert das Gesetz aber auch gar nicht, bemängelte der Referent.
Als belegte und „substanzielle“ Gefahr sieht er das Risiko, unter der Behandlung eine schizophrene Psychose zu entwickeln. Weiterhin gibt es Hinweise, dass psychotische Symptome und Störungen früher auftreten. Umgekehrt leiden Patienten mit schizophrenen Psychosen besonders häufig unter Cannabisstörungen, der Konsum geht bei ihnen mit stärkeren Positivsymptomen und mehr Rehospitalisierungen und Rückfällen einher.
Erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen
Außerdem ist die Nutzung mit einer leicht erhöhten Wahrscheinlichkeit für depressive, Angst- sowie bipolare Störungen assoziiert, die mit der Intensität des Gebrauchs ansteigt. Insbesondere für Erwachsene mit psychischen Erkrankungen oder vorbestehenden Alkohol- und Substanzmittelkonsumstörungen bleiben Restrisiken.
Insgesamt bewertete Prof. Preuß medizinisches Hanf jedoch als relativ anwendungssicher. Es löse wahrscheinlich weniger somatische und körperliche Schäden aus als ursprünglich vermutet. Trotz teilweise schwacher Evidenz verbessert es die Befindlichkeit vieler Menschen – so der Experte weiter. Er vermutete, dass hinter der medizinischen Legalisierung in Deutschland jedoch kein medizinisches Anliegen steckt. Sondern vielmehr ein Versuchsballon, um zu testen, wie die Gesellschaft mit der Droge umgeht. Das könnte den Boden für eine breitere Legalisierung auch im privaten Bereich bereiten – wie bereits in Kanada geschehen.
Quelle: 20. Interdisziplinärer Kongress für Suchtmedizin