Fötus unter Drogen: Wenn Schwangere kiffen, rauchen und trinken
Bislang gibt es kaum Daten zur Prävalenz des Substanzgebrauchs von Schwangeren in Deutschland. Das hat eine Literaturrecherche von Dr. Sabine M. Apelt, Psychologin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, und Kollegen ergeben. In der Folge untersuchten die Wissenschaftler in einer bundesweiten Onlinebefragung, in welchem Ausmaß Alkohol, Nikotin, Opiate und Cannabis unter werdenden Müttern verbreitet sind und wie Ärzte das Problem einschätzen.
Die erste Überraschung erlebten die Wissenschaftler bezüglich der Teilnahme an ihrer Befragung, wie Dr. Apelt berichtete. 1763 Schwangere und Mütter machten bei der Onlinebefragung mit – viel mehr als die 200 Frauen, von denen man anfangs ausgegangen war. 1503 Fragebogen waren auswertbar. Die Ärzte dagegen hielten sich deutlich zurück. Letztlich konnten die Wissenschaftler nur 45 medizinische Fachpersonen befragen, lediglich neun davon waren Ärzte. 13 % der Frauen gaben einen Substanzkonsum während der Schwangerschaft an. Am häufigsten wurde Nikotin (69 %) genannt, gefolgt von Alkohol (31 %), dem Konsum von Cannabis (22 %), Opiaten (2 %), Amphetaminen (1,5 %) und Benzodiazepinen (1 %). Vor allem die Raten des Nikotin-, Alkohol- und Cannabiskonsums wurden von den befragten Ärzten, Hebammen und Geburtshelfern massiv unterschätzt.
Vom Cannabis erhofften sich die schwangeren Konsumentinnen in erster Linie Entspannung und die Linderung von Schmerzen. Zugleich waren ihnen die negativen Effekte und Gefahren der Droge – reduzierte Aufmerksamkeit, Paranoia oder drohende Abhängigkeit – sehr wohl bekannt. Auch wussten die Frauen im gleichen Maß wie die Heilberufler über die möglichen Folgen des Cannabisgebrauchs für Gehirn und Nervensystems ihres ungeborenen Kindes Bescheid. Ebenso war ihnen das erhöhte Risiko für Frühgeburt und geringeres Geburtsgewicht bewusst.
Als Motivation für den Drogengebrauch nannten die Konsumentinnen Wohlbefinden und die Linderung von Geburtsschmerzen. Fast ein Drittel der Schwangeren nutzte die Droge, um gegen Unwohlsein und Übelkeit anzugehen. Tatsächlich werde Cannabis in Ländern wie den USA und Kanada, in denen Cannabis legalisiert wurde, immer häufiger gegen Schwangerschaftsübelkeit eingesetzt, erläuterte Dr. Apelt. Informationen aus dem Internet und aus entsprechenden Onlineforen würden Schwangere im Cannabis- und allgemeinen Substanzgebrauch bestärken.
Die Legalisierung der Droge befürwortete fast jede zweite Befragte, also auch Frauen, die keinen Substanzkonsum angegeben hatten. Von den medizinischen Fachpersonen unterstützte das nur weniger als ein Drittel.
Über die Ursachen der ärztlichen Zurückhaltung bei der Onlinebefragung kann nur spekuliert werden. Möglicherweise befürchten Ärzte negative Konsequenzen, wenn bekannt wird, dass ihre schwangeren Patientinnen mit ihrer Duldung illegale Substanzen konsumieren. Dr. Apelt bezeichnete das geringe Interesse der Ärzte an der Teilnahme trotz vielfältiger Rekrutierungsbemühungen als alarmierend. Angesichts der unklaren Risiken psychotroper Substanzen für Mutter und Ungeborenes müsse dem Thema deutlich mehr Aufmerksamkeit zukommen.
Quelle: 20. Interdisziplinärer Kongress für Suchtmedizin