Aufklären, absetzen, Alternativen finden Schwangere mit Hypertonie sollten nicht mit RAS-Hemmern behandelt werden
Erst der Contergan-Skandal hat dazu geführt, dass Medikamente per Arzneimittelgesetz auf potenziell embryotoxische Wirkung geprüft werden müssen. Wie Prof. Dr. Gilbert Schönfelder vom Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin erläuterte, macht nicht die Dosis eines Medikaments allein das Gift. Auch die Dauer und der Zeitpunkt der Exposition spielen eine wichtige Rolle, ob der Wirkstoff dem Fötus schaden kann.
Von ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten weiß man, dass sie während der Schwangerschaft zu einer Anurie und einem Fruchtwassermangel führen können. Dem Kind drohen durch die Exposition schwerwiegende Folgen: Schädel- und/oder Lungenhypoplasie, Gelenkkontrakturen, Hohlvenenthrombosen bis hin zum neonatalen Tod sind möglich.
Obwohl entsprechende Warnhinweise für Hemmer des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) vorliegen, werden sie von manchen Frauen während der Schwangerschaft immer noch eingenommen. Dies führt Prof. Schönfelder unter anderem darauf zurück, dass Patientinnen mit Hypertonie oder anderen Erkrankungen, die eine blutdrucksenkende Therapie erfordern, auf diese Präparate eingestellt werden, bevor eine Schwangerschaft geplant oder bemerkt wird. Die Aufklärung von Frauen im gebärfähigen Alter sollte deshalb ein zentraler Punkt im Rahmen der Verordnung von RAS-Hemmern sein, so der Kollege.
Von RAS-Hemmern wird in jedem Trimenon abgeraten
Das Fetopathierisiko gilt als besonders hoch, wenn die Exposition im zweiten und/oder dritten Trimenon stattfindet. Doch auch im ersten Trimenon können ACE-Hemmer und AT1-Antagonisten dem Fötus schaden und kongenitale Erkrankungen wie Septumdefekte bedingen, weshalb der Referent von deren Einsatz während der kompletten Schwangerschaft abrät.
Wie hoch ist das Präeklampsierisiko?
Bei bis zu 8 % aller Schwangerschaften entwickelt sich eine Präeklampsie. Zusammen mit einer gestationsbedingten Erhöhung von Herzzeitvolumen, Herzfrequenz und linksventrikulärer Masse trägt eine exzessive Hormonausschüttung u. a. von Activin A zur Entstehung bei. Kopfschmerz, Augenflimmern und rechtsseitiger Oberbauchschmerz stellen die wichtigsten Warnsignale dar, erinnerte Dr. Lucas Bacmeister vom Universitäts-Herzzentrum Freiburg.
Von Bedeutung ist die möglichst frühe Risikoabschätzung. Denn werden Schwangere mit einem erhöhten Präeklampsierisiko noch vor der 16., idealerweise ab der 12. Schwangerschaftswoche (SSW) mit 150 mg ASS täglich behandelt, lässt sich das Risiko für die frühe Manifestation (vor der 37. SSW) um ca. 60 % reduzieren. Die etwas häufigere, aber mit einer niedrigeren Morbidität assoziierte Präeklampsie nach der 37. SSW kann man hierdurch allerdings nicht verhindern.
Ein hohes Risiko für eine Präeklampsie haben Frauen mit:
- einer hypertensiven Erkrankung während einer vorherigen Schwangerschaft
- Autoimmunerkrankungen wie systemischem Lupus erythematodes oder Antiphospholipidsyndrom
- Diabetes Typ 1 oder 2
- chronischer Hypertonie
Ein moderates Risiko besteht, sobald mindestens zwei der folgenden Faktoren vorliegen:
- erste Schwangerschaft
- Alter ≥ 40 Jahre
- Schwangerschaftsintervall ist länger als 10 Jahre
- BMI ≥ 35 kg/m2
- Präeklampsie in der Familienanamnese
- Mehrlingsschwangerschaft
Quelle: Jubiläumssymposium der Deutschen Hochdruckliga 2024
Laut Warnhinweis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte soll man Patientinnen mit Schwangerschaftswunsch auf eine alternative blutdrucksenkende Therapie mit geeignetem Sicherheitsprofil umstellen. Ist die Fortführung der Medikation zwingend erforderlich, muss die Patientin engmaschig überwacht werden. Tritt die Schwangerschaft unter RAS-Hemmern ein, sollte die Behandlung sofort beendet bzw. umgestellt und ein Oligohydramnion ausgeschlossen werden.
Dass Schwangere mit Hypertonie eine blutdrucksenkende Therapie benötigen, steht außer Frage. Mehrere Leitlinien empfehlen, ab einem Blutdruck von ≥ 140/90 mmHg medikamentös einzuschreiten. Grundlage hierfür sind unter anderem zwei Studien, auf die Dr. Lucas Bacmeister vom Universitäts-Herzzentrum Freiburg einging. 2015 ergab die CHIPS-Studie, dass eine strenge Einstellung mit einem diastolischen Zielwert von 85 mmHg im Vergleich zu einer weniger strengen (Zielwert 100 mmHg) keine Nachteile für die fetale Entwicklung hat. Die CHAP-Studie verdeutlichte 2022, dass sich schwerwiegende Ereignisse wie Plazentaablösung oder vorgeburtlicher Kindstod unter Antihypertensiva dadurch eher verhindern lassen, als wenn die Frauen nicht bzw. erst spät (ab Werten ≥ 160/105 mmHg) behandelt werden.
Zu bevorzugen sind aufgrund der aktuellen Studien- und Sicherheitslage der Kalziumantagonist Nifedipin, Methyldopa und der Alpha-/Betablocker Labetalol, wobei Letzterer in Deutschland nicht zur Verfügung steht. Stattdessen kommt Metoprolol zum Einsatz. Dr. Bacmeister ergänzte darüber hinaus, dass bei Methyldopa häufiger noch ein zweites Präparat zur Wirkverstärkung benötigt wird.
Quelle: Kongressbericht Jubiläumssymposiumder Deutschen Hochdruckliga 2024