Drei Viertel der Schwangeren haben einen Vitamin-D-Mangel
Vitamin D ist das einzige Vitamin, das der Körper mithilfe des Sonnenlichts selbst synthetisieren kann. Um den Vitamin-D-Status eines Menschen zu bestimmen, werden die Serumkonzentrationen der Hormonvorstufe Calcidiol bzw. 25(OH)D gemessen. Bei 25(OH)D-Serumspiegeln zwischen 50 und 75 nmol/l gehen die meisten Experten von einer ausreichenden Versorgung aus. Aber wer schafft das? Schätzungen zufolge weisen beispielsweise bis zu 60 % unserer Schweizer Nachbarn niedrigere Werte auf.
Obwohl Daten für Schwangere dort bislang fehlen, empfiehlt die Schweizer Eidgenössische Ernährungskommission allen werdenden Müttern die Einnahme von 600 IU Vitamin D pro Tag. Diese Menge deckt den tatsächlichen Bedarf aber vermutlich nicht, berichten Dr. Patricia Christoph von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Inselspital in Bern und Kollegen. Gemeinsam haben sie im Rahmen einer krankenhausinternen Querschnittstudie die Vitamin-D-Versorgung von rund 1400 Schwangeren untersucht und ermittelt, welche Konsequenzen ein Mangel auf den Verlauf der Schwangerschaft hat.
Die Auswertung der im ersten oder zweiten Trimenon bestimmten 25(OH)D-Spiegel ergab: Nahezu drei Viertel der Schwangeren litten an einem Vitamin-D-Mangel (< 50 nmol/l). Bei etwa einem Drittel lag sogar ein schwerer Mangel vor (< 25 nmol/l). Das sei deutlich mehr als in der Gesamtbevölkerung und mit den derzeitigen Empfehlungen von 600 IU nicht auszugleichen, betonen die Autoren.
Die 25(OH)D-Konzentration betrug durchschnittlich 37 nmol/l, wobei in den Sommermonaten deutlich höhere Spiegel gemessen wurden als im Winter. Ein hoher BMI sowie ein dunklerer Hauttyp prädisponierten für eine Unterversorgung.
Routinescreening und gezielte Supplementation gefordert
Den Berechnungen der Forscher zufolge bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und Gestationsdiabetes. Hinsichtlich des Risikos für Präeklampsie, Früh- oder Fehlgeburten, intrauteriner Wachstumsrestriktion, geringes Geburtsgewicht oder die Notwendigkeit eines Kaiserschnitts zeigte sich jedoch keine Assoziation. Überraschenderweise schien ein Vitamin-D-Defizit in dieser Studie vor postpartalen Blutungen und Plazentaretentionen eher zu schützen.
Angesichts dieser Ergebnisse befürworten die Wissenschaftler ein Vitamin-D-Routinescreening in der Schwangerschaft. Gegebenfalls sei auch eine präkonzeptionelle Supplementation – ähnlich der Folsäuresubstitution – zu überlegen. Zukünftige Studien müssen ihrer Ansicht nach klären, ob sich eine intensive, individuell dosierte Supplementation während der Schwangerschaft positiv auf die langfristige Gesundheit von Mutter und Kind auswirkt.
Quelle: Christoph P et al. Swiss Med Wkly 2020; 150: w20238; DOI: 10.4414/smw.2020.20238