Cannabisallergie Sensibilisierte Hochgefühle
Sei es als nachwachsender Rohstoff für die Textil- oder die Bauwirtschaft, sei es als Arznei-, Nahrungs- oder Genussmittel: Weltweit sind Gebrauch und Einsatz von Cannabisprodukten im Steigen begriffen. Nicht zuletzt die fortschreitende Legalisierung THC-haltiger Cannabiserzeugnisse heizt die Nachfrage derzeit mächtig an.
Es existieren unzählige Sorten und Varietäten der Pflanze, beschreiben Dr. Isabel Skypala vom Imperial College in London und Kollegen. Die meisten davon sind gezielte Züchtungen oder zufällige Hybride der Arten Cannabis sativa und Cannabis indica. In der Mehrheit sind sie botanisch schlecht charakterisiert.
Die vier wichtigsten in den Hanfpflanzen enthaltenen Allergene sind das nicht-spezifische Lipidtransferprotein (nsLTP) Can s 3, das Oxygen-evolving Enhancer Protein 2 (OEE2), Profilin und das Pathogenesis related Protein 10 Homologue. Mit Blick auf die Cannabisallergie kommt dem Can s 3 als nsLTP die wohl größte Bedeutung zu, heißt es in dem Übersichtsartikel. nsLTP sind Proteine, die im gesamten Pflanzenreich und damit bei einer Vielzahl an Nahrungsmitteln vorkommen. Sie sind hitze- und verdauungsstabil und besitzen untereinander eine hohe Kreuzreaktivität. So reagieren Patienten, die gegenüber dem nsLTP Pru p 3 aus Pfirsichen sensibilisiert sind, allergisch auf C. sativa. Und die Sensibilisierung mit Can s 3 kann den Boden für eine Allergie auf eine ganze Reihe von Früchten, Gemüsen und Getreiden bereiten, ebenso gegenüber Wein, Bier und Latex.
Die klinischen Manifestationen einer Cannabisallergie umfassen sowohl Reaktionen vom Sofort- als auch solche vom Spättyp. Pollen oder Rauch können zu allergischer Rhinokonjunktivitis oder Keratokonjunktivitis, zu Hypersensitivitätspneumonitis oder Asthmaexazerbationen führen. Hautreaktionen wie generalisierter Juckreiz, Kontakturtikaria oder Angioödeme sowie Atemwegssymptome und Anaphylaxie sind beschrieben.
Nach dem Hantieren oder Berühren von Blättern oder Blüten kann es zu einer Kontaktdermatitis kommen, nach dem Inhalieren des Rauchs zur toxischen Dermatitis. Dabei dürfe der Arzt nicht nur die Konsumenten im Blick haben, schreiben Dr. Skypala und Kollegen. Es kann auch Personen treffen, die ungewollt Pollen, Rauch oder Stäube einatmen, also z.B. Laboranten und Drogenfahnder, Landwirte und Erntehelfer.
Am wichtigsten für das Erkennen einer Cannabisallergie ist die genaue Anamnese mit dem Nachweis des zeitlichen Zusammenhanges zwischen Exposition und Symptomen. Allerdings verschweigen viele Patienten im Arztgespräch aus nachvollziehbaren Gründen einen illegalen Cannabiskonsum.
Von Provokationstests lieber absehen
Bei eindeutiger Sachlage ist es möglich, auf einen Bestätigungstest zu verzichten. Es stehen auch weder spezifische IgE-Antikörperassays noch standardisierte Extrakte zur Verfügung, sodass man sich mit Prick-to-Prick-Tests oder einem Nativpräparatextrakt für den Skin-Prick-Test behelfen müsste – sofern sich die dafür erforderlichen Pflanzen beschaffen lassen. Auch der Basophilen- und der passive Mastzellaktivierungstest sind für die Cannabisallergene nicht ausreichend standardisiert. Von Provokationstests raten die Wissenschaftler ab. Abgesehen von den rechtlichen Hürden, die in vielen Ländern bestehen, kann es beim Inhalieren zu überschießenden Immunreaktionen kommen.
In der Behandlung steht die Allergenkarenz an erster Stelle. Das gilt auch für die Auslöser der Kreuzallergien. Die symptomatische Therapie unterscheidet sich nicht vom Vorgehen bei anderen Allergien.
Quelle: Skypala IJ et al. Allergy 2022; DOI: 10.1111/ALL.15237