Fakten und Argumente helfen nicht gegen Fake News
Während Epidemien sind Menschen besonders anfällig für Verschwörungstheorien und Mythen. Beim Zika-Virus-Ausbruch in Brasilien versuchten z.B. WHO und die Pan- Amerikanische Gesundheitsorganisation mit Infokampagnen der Verbreitung von Unsinn entgegenzuwirken. Nur haben sie damit wohl oft das Gegenteil erreicht. Mit einer Umfrage und Online-Fragebogen untersuchten Professor Dr. John M. Carey vom Institut für Staatswissenschaften des Dartmouth College in Hanover und Kollegen während der Zika- und Gelbfieber-Ausbrüche in Brasilien (2017/2018), wie die Bevölkerung auf verschiedene Informationen bzw. Richtigstellungen reagierte.
Anhand der Fakten denkt man sich neue Theorien aus
In einer ersten Umfrage sollten die Brasilianer während der Zika-Epidemie Fakten zum Erreger einschätzen. Über die Ansteckungsgefahr durch Mücken waren sie zwar informiert. Aber andere Irrtümer über Herkunft (gentechnisch veränderte Mücken) und die sexuelle Übertragbarkeit blieben bestehen.
Für die zweite Befragung spielte das Team 2017 und 2018 bis zu 1283 Brasilianern entweder die entsprechenden Informationsbogen oder zum Vergleich „Placebo-Informationen“ bezüglich Zika oder Gelbfieber zu. Anschließend fragten sie online den Effekt des Materials ab. Das ernüchternde Ergebnis: Nicht einmal mit den korrekten Fakten ließen sich die Befragten von ihrem Irrglauben abbringen, obwohl sie sich verhältnismäßig lange mit den Informationsbogen beschäftigten. Aus Fakten entstanden mitunter sogar neue Theorien. Außerdem standen die Menschen auch richtigen Informationen auf einmal misstrauisch gegenüber.
Bei der zweiten Befragung – diesmal ging es um das Gelbfieber, das Brasilien schon viel länger heimsucht – zeigte sich, dass die Menschen bei einer etablierteren Krankheit bereits besser informiert sind und Fakten mehr Vertrauen. Allerdings: An der Bereitschaft, z.B. die offiziellen Gegenmaßnahmen zu unterstützen, ließ sich auf diese Weise trotzdem wenig ändern. Nur Maßnahmen, die den direkten persönlichen Schutz betrafen, wurden angenommen.
„Unsere Resultate sprechen dafür, dass Versuche, Fehlinformationen und Missverständnisse über neue Epidemien zu korrigieren, womöglich nicht so erfolgreich sind, wie wir es gerne hätten“, wird Koautor Professor Dr. Brendan Nyhan in der begleitenden Pressemitteilung zitiert. Eine mögliche Ursache ist, dass Menschen sich generell von ihrer Überzeugung nur ungern abbringen lassen. Zusätzlich besteht bei neu auftretenden Erkrankungen in der Bevölkerung oft kein Grundwissen. Warnt man sie vor Fake News, neigen sie dazu, auch gegenüber richtigen Informationen misstrauisch zu werden.
Womöglich sei es deshalb besser, Verschwörungstheorien und Fehleinschätzungen nicht mit Kampagnen direkt „anzugreifen“, appellieren die Autoren. Vielversprechender könnte es sein, durch Aufklärungsprogramme generell zu einer positiveren Einstellung gegenüber öffentlichen Gesundheitsinformationen zu motivieren. Zudem schlagen sie vor, die Wissensvermittlung stärker den Ärzten anzuvertrauen und auf die Vorbildfunktion und das „Mitläufertum“ zu setzen, wenn Schutzmaßnahmen sichtbar für die Öffentlichkeit durchgeführt werden.
Quelle: Carey JM et al. Sci Adv. 2020; 6: eaaw7449; DOI: 10.1126/sciadv.aaw7449