Geriatrisches Assessment vor Chemotherapie hilft in der Patientenkommunikation

Autor: Dr. Barbara Kreutzkamp

Patienten und ihre Bezugspersonen waren nach einer assessmentbasierten Sprechstunde signifikant zufriedener. Patienten und ihre Bezugspersonen waren nach einer assessmentbasierten Sprechstunde signifikant zufriedener. © iStock/Eva-Katalin

Ältere Krebskranke und ihre Bezugspersonen haben ganz eigene Erwartungen an eine Chemo. Führt ein Arzt noch vor der Therapie ein geriatrisches Assessment durch, verläuft das Gespräch für Patienten deutlich zufriedenstellender.

Oft leiden Ältere, die wegen eines Karzinoms eine Chemo erhalten, deutlich mehr unter Nebenwirkungen als jüngere Krebspatienten. Eine zielgerichtete Arzt-Patienten-Kommunikation schon vor Behandlungsbeginn könnte für die Kranken und ihre Angehörigen entlastend wirken, die Therapieentscheidungen beeinflussen und die Lebensqualität erhöhen.

Eine Sprechstunde, die konkret auf die spezifischen Einschränkungen und Befürchtungen der älteren Krebskranken eingeht, sorgt bei den Beteiligten für mehr Zufriedenheit als ein Gespräch, in dem der Arzt wie gewohnt und ohne gezielte Vorbereitung die anstehende Behandlung durchgeht. Das haben Wissenschaftler um Dr. Supriya G. Mohile von der Universität Rochester gezeigt. Basis für die zielgerichtete Kommunikation in ihrer Studie bildete eine zuvor durchgeführte Begutachtung zu gesundheitlichen und kognitiven Einschränkungen: das geriatrische Assessment.

Individualisiertes Gespräch versus Standardaufklärung

Teilnehmer der Multizenterstudie waren 541 Krebspatienten im Alter von über 70 Jahren, die zunächst Auskunft über ihren Funktionsstatus und die körperliche Leistungsfähigkeit, Komorbiditäten, eingenommene Medikamente, Kognition, Ernährung, psychische Gesundheit und soziale Unterstützung gaben. Ergänzend wurden einige Tests beispielsweise zur geistigen Leistungsfähigkeit und psychischen Gesundheit durchgeführt.

Patienten, bei denen mindestens einer der abgefragten Bereiche beeinträchtigt war, führten dann entweder ein zielgerichtetes Arzt-Patienten-Gespräch auf der Grundlage des geriatrischen Assessments. Oder sie gingen als Kontrollgruppe in ein Standardgespräch mit ihrem Onkologen, wobei der Arzt zuvor lediglich über kognitive Einschränkungen oder eine vorliegende Depression informiert war. Wie die Ärzte der Interventionsgruppe diese Sprechstunde gestalteten, war ihnen freigestellt.

In einer ersten Telefonbefragung rund 14 Tage nach der Unterredung zeigten sich Patienten mit dem zielgerichteten Gespräch zufriedener als die Kontrollgruppe. Die Differenz im Health Care Climate Questionnaire betrug 1,09. Dieser Unterschied blieb über die nächsten sechs Monate stabil. Auch die Bezugspersonen der Krebspatienten waren nach der assessmentbasierten Sprechstunde signifikant zufriedener. Bei der Lebensqualität der Patienten zeigten sich keine Unterschiede.

Einschränkungen wären sonst unbeachtet geblieben

Die Ergebnisse sind ein erster Beleg, dass die zielgerichtete Kommunikation mit älteren und in wichtigen Funktionsbereichen eingeschränkten Krebskranken die Zufriedenheit von Patienten und deren Bezugspersonen deutlich bessert, schreiben die Autoren. Dank des geriatrischen Assessments seien Einschränkungen auf körperlicher und psychischer Ebene aufgedeckt worden, die sonst womöglich unbeachtet geblieben wären. Mit einem solchen Vorgehen lasse sich besser auf Zielvorstellungen und Wünsche der Patienten eingehen.

Quelle: Mohile SG et al. JAMA Oncol 2019; DOI: doi.org/10.1001/jamaoncol.2019.4728