Krebserkrankung Besondere Alte, spezielle Therapien

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Werden bei der Therapie auch durch das Alter bedingte Einschränkungen berücksichtigt, mindert dies die Toxizität um ein Viertel. (Agenturfoto) Werden bei der Therapie auch durch das Alter bedingte Einschränkungen berücksichtigt, mindert dies die Toxizität um ein Viertel. (Agenturfoto) © Monkey Business – stock.adobe.com

Bei älteren Patienten sollte vor dem Beginn einer Krebstherapie unbedingt ein geriatrisches Assessment erfolgen.

Ältere Menschen mit fortgeschrittener Krebserkrankung haben ein hohes Risiko für die toxischen Effekte einer Tumorbehandlung. Diese Personengruppe ist jedoch in den Studien, die die Standardtherapien etabliert haben, regelmäßig unterrepräsentiert.

Fachgesellschaften empfehlen, die Krebstherapie bei Älteren auf der Basis eines geriatrischen Assessments zu planen. In Kenntnis der individuellen Einschränkungen der Patienten lassen sich dann toxische Effekte, wie sie etwa bei einer Chemotherapie auftreten, bestmöglich minimieren.

Im praktischen Alltag geschehe dies aber viel zu selten – schon allein deshalb, weil es nur wenig Daten zum Nutzen eines derartigen Vorgehens gibt, beklagen Professor Dr. ­Supriya ­Mohile von der Universität Rochester und Kollegen. Die Wissenschaftler haben die Zusammenhänge kürzlich in der randomisierten Studie GAP70+ untersucht.

Eingeschlossen waren unheilbar kranke Tumorpatienten im Alter über 70 Jahre, die eine neue Therapie beginnen sollten. Jeder von ihnen wies in mindestens einem Bereich des geriatrischen Assessments Einschränkungen auf.

40 onkologische Praxen in den USA wurden randomisiert entweder für das Assessment mit speziell angepasster Therapie vorgesehen oder für die Standardbehandlung. Die Ärzte, die die Interventionsgruppe betreuten, bekamen exakte Anweisungen für die Einstufung und Therapie ihrer Patienten.

In die Analyse gingen 718 Tumorkranke ein. Primärer Endpunkt war der Anteil von Patienten, die in den ersten drei Monaten Toxizitäten vom Grad 3 bis 5 entwickelten. Dies waren in der Assessmentgruppe 51 %, bei den nach Standard Behandelten 71 %. Dies entspricht einer Risikoreduktion von 26 %.

Weniger Medikamente und vermindertes Sturzrisiko

In der Interventionsgruppe hatten deutlich mehr Kranke von Beginn an eine reduzierte Dosis der Antikrebsmedikamente bekommen, erklären die Studienautoren den Unterschied. Diese Patienten stürzten auch deutlich seltener (12 % vs. 21 %) und sie konnten öfter Medikamente absetzen als diejenigen Teilnehmer, die nach Standard behandelt wurden. Beim Überleben nach sechs und zwölf Monaten gab es zwischen beiden Gruppen allerdings keine Unterschiede.

Es ist die erste Studie, die den Nutzen eines solchen Assessments unter Real-World-Bedingungen nachgewiesen hat, schreiben Dr. ­Marije Hamaker, Diakonissenhaus Utrecht, und Dr. Siri ­Rostoft, Uniklinik ­Oslo, in einem Kommentar. Ihrer Ansicht nach sollte dieses Vorgehen bei älteren Krebskranken die Regel sein.

1. Mohile SG et al. Lancet 2021; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)01789-X
2. Hamaker ME, Rostoft S. Lancet 2021; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)01998-X