Cannabiskonsum Gift für die Lunge
Er beeinträchtigt die Lungenfunktion, vermindert den Gasaustausch und hat –zumindest bei Frauen – negative Auswirkungen auf die Funktion der kleinen Atemwege. Dabei unterscheidet sich das Schädigungsmuster von den bekannten Effekten des Tabaks. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Forschergruppe aus Neuseeland in zwei Publikationen.
Kohorte über Jahrzehnte beobachtet
Basis ihrer Untersuchung war die Dunedin Multidisciplinary Health and Development Study. Diese für die Dunediner Bevölkerung repräsentative Studie startete 1972/73, erfasste mehr als 1.000 in diesen Jahren geborene Menschen, die man über Jahrzehnte nachbeobachtete. U.a. wurde regelmäßig der Cannabiskonsum ab dem 17. Lebensjahr erfasst. Im Alter von 45 Jahren untersuchte man die Probanden mittels Spirometrie und Plethysmografie, ermittelte die Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid (DLCO) und führte eine Impulsoszillometrie (IOS) vor und 15–20 Minuten nach Inhalation von Salbutamol durch, um die Funktion der peripheren Atemwege zu prüfen.
Die eine Auswertung des Teams um Prof. Dr. Robert Hancox, Dunedin School of Medicine, fußt auf den Daten von 881 Probanden.1 Analysiert wurde der Einfluss des langjährigen Cannabisrauchens auf die Lungenfunktion unter Adjustierung auf den oft begleitenden Nikotinabusus. Dabei zeigte sich eine klare Assoziation zwischen hohen kumulativen Cannabisdosen und niedrigen Werten für die relative Einsekundenkapazität (FEV1/FVC). Außerdem fielen die Cannabisraucher durch eine Erhöhung von totaler Lungenkapazität, funktioneller Residualkapazität und Residualvolumen auf. Das Alveolarvolumen war ebenfalls gesteigert, die DLCO dagegen erniedrigt.
Die Autoren gehen aufgrund der erhöhten pulmonalen Volumina davon aus, dass jahrzehntelanger Cannabisgenuss mit einer Lungenüberblähung verbunden ist. Die erhobenen Daten sprechen für einen erhöhten Widerstand in den großen Atemwegen und für einen erniedrigten mittexpiratorischen Atemfluss (MMEF). Anders als beim Tabakrauchen, das die FEV1 verringert, war der reduzierte Tiffeneau-Index unter Cannabiskonsum auf eine gesteigerte FVC zurückzuführen.
Gestörte Funktion der kleinen Atemwege z.T. reversibel
In die zweite Auswertung flossen die Daten von 895 Probanden ein.2 Nachdem Einflussfaktoren wie Zigarettenkonsum, BMI und Größe herausgerechnet waren, zeigte sich für Frauen eine signifikante Assoziation zwischen dem Cannabiskonsum über die Jahre (Joint-Years) und bestimmten Parametern der IOS vor Salbutamolinhalation. Diese sprachen für eine beeinträchtigte Funktion der kleinen Atemwege im Sinne einer erhöhten Resistance und Reactance.
Die auffälligeren Veränderungen könnten mit der geringeren Lungengröße von Frauen und hormonellen Auswirkungen zu tun haben, mutmaßen die Wissenschaftler. Das Forscherteam stellte außerdem fest, dass die durch Cannabis hervorgerufenen Schädigungen der kleinen Atemwege zumindest teilweise reversibel waren. Potenzielle Störfaktoren wie Umgebungsrauch oder Umweltverschmutzung flossen nicht in die Auswertung ein.
Noch ist unklar, wie die speziellen pulmonalen Effekte des Cannabisrauchens entstehen, zumal die Verbrennungsprodukte denen des Tabaks sehr ähnlich sein dürften. Möglicherweise spielt Tetrahydrocannabinol eine Rolle. Auch die spezielle Inhalationstechnik mit tieferer Inhalation und Atemanhalten leistet womöglich einen Beitrag.
Quelle: 1. Hancox RJ et al. Am J Respir Crit Care Med 2022; DOI: 10.1164/rccm.202109-2058OC
2. Tan HS et al. ERJ Open Res 2022; DOI: 10.1183/23120541.00688-2021