Multiples Myelom Globale Fahndung nach dem Risiko
Im Jahr 2020 entfielen 14 % der insgesamt 1.278.362 Fälle maligner hämatologischer Erkrankungen – Leukämie, Lymphome, Multiples Myelom – weltweit auf das Multiple Myelom. Ein internationales Wissenschaftler:innenteam hat es sich jetzt zur Aufgabe gemacht, aktuelle Daten zur weltweiten Inzidenz und Sterblichkeit sowie zu den damit verbundenen Risikofaktoren und zeitlichen Trends des Multiplen Myeloms zu sammeln und nach Geschlecht, Alter und geografischer Region auszuwerten.
Um Inzidenz und Mortalität von 1980 bis zum Jahr 2020 aus insgesamt 48 Ländern weltweit zu ermitteln, griffen die Forschenden um Dr. Junjie Huang, Chinesische Universität Hongkong, auf verschiedene Datenbanken zurück:
- Global Cancer Observatory (GLOBOCAN 2020)
- Cancer Incidence in Five Continents (CI5)
- Mortalitätsdatenbank der Weltgesundheitsorganisation WHO
- Nordic Cancer Registries (NORDCAN)
- Surveillance, Epidemiology, and End Results Program (SEER)
Darüber hinaus durchsuchten die Autor:innen die Datenspeicher des WHO Global Health Observatory (GHO) nach der altersstandardisierten Prävalenz von Lebensstil- und Stoffwechselrisikofaktoren. Dabei fokussierten sie sich auf die Prävalenz von Rauchen, Alkoholkonsum, körperlicher Inaktivität, Übergewicht, Adipositas, Bluthochdruck, Diabetes und Hypercholesterinämie im Jahr 2010 – davon ausgehend, dass zwischen Exposition und Krebsdiagnose rund zehn Jahre vergehen. Assoziationen mit Risikofaktoren wurden durch multivariable Regression verifiziert. Die zeitlichen Trends bewerteten die Forschenden anhand der durchschnittlichen jährlichen prozentualen Veränderung (AAPC*) unter Verwendung der Joinpoint-Regression.
Die altersstandardisierte Rate (ASR) der Inzidenz des Multiplen Myeloms betrug im Jahr 2020 weltweit 1,78 pro 100.000 Menschen und die Mortalität 1,14 pro 100.000 Menschen. Eine höhere Inzidenz und Sterblichkeit konnten die Wissenschaftler:innen dabei mit einem höheren Entwicklungsstand (HDI**) sowie Bruttoinlandsprodukt und einer gesteigerten Prävalenz von körperlicher Inaktivität, Übergewicht, Adipositas und Diabetes in Verbindung bringen.
Besonders Männer über 50 Jahren sind betroffen
Insgesamt verzeichneten die Studienautor:innen in mehr Ländern einen Anstieg der jährlichen Inzidenz des Multiplen Myeloms als einen Rückgang. Dies traf insbesondere auf Männer im Alter von 50 Jahren und aufwärts zu. Die Länder mit dem stärksten Anstieg der Inzidenz bei Männern über 50 Jahren waren Deutschland (AAPC 6,71), Dänemark (AAPC 3,93) und Südkorea (AAPC 3,25). Bei Frauen im Alter von mindestens 50 Jahren dagegen wurde die größte Inzidenzerhöhung auf den Färöerinseln (AAPC 21,01), in Dänemark (AAPC 4,70) und in Israel (AAPC ,57) beobachtet.
Global gesehen registrierten die Forschenden einen rückläufigen Trend bei der Sterblichkeit am Multiplen Myelom. Mit einer ASR von 2,69 war die Mortalität in Polynesien am größten, gefolgt von Australien und Neuseeland (ASR 1,84) und Nordeuropa (ASR 1,80). Die niedrigsten Sterblichkeitsraten wurden aus Südostasien (ASR 0,82), Ostasien (ASR 0,76) und Melanesien (ASR 0,73) gemeldet. Männer (ASR 1,41) wiesen insgesamt eine höhere Sterblichkeitsrate auf als Frauen (ASR 0,93).
Australien und Neuseeland liegen vorne
Mit einer ASR von 4,86 bildeten Australien und Neuseeland die Spitzenreiter hinsichtlich der Inzidenz, gefolgt von Nordamerika (ASR 4,74) und Nordeuropa (ASR 3,82). Die niedrigsten Inzidenzen wurden in Westafrika (ASR 0,81), Melanesien (ASR 0,87) und Südostasien (ASR 0,96) detektiert.
Als mögliche Erklärungen für die steigende Inzidenz des Multiplen Myeloms ziehen die Autor:innen einerseits eine Verbesserung der Diagnose und andererseits eine zunehmende Prävalenz der Risikofaktoren in Betracht. Der Rückgang der Mortalität in den vergangenen zehn Jahren könnte unter anderem auf die Entwicklung modernerer Therapien zurückzuführen sein.
Diagnosekapazitäten und Therapien ausbauen
Um die zunehmende Tendenz des Multiplen Myeloms in Hochrisikopopulationen einzudämmen, sollten nach Ansicht der Wissenschaftler:innen Lebensgewohnheiten, Diagnosekapazitäten und die Verfügbarkeit von Behandlungen verbessert werden. Zudem sollten die Gründe für die hier beobachteten epidemiologischen Veränderungen in künftigen Studien weiter untersucht werden.
* Average annual percentage change
** Human Development Index
Quelle: Huang J et al. Lancet Haematol 2022; DOI: 10.1016/S2352-3026(22)00165-X