Diabetes Grünes Licht für Hormonpräparate
Bei Frauen im reproduktionsfähigen Alter ist die Kombinationspille mit Östrogen und Gestagen die häufigste Form der Empfängnisverhütung – „das gilt auch für Patientinnen mit Diabetes“, so Professor Dr. Martin Merkel, niedergelassener Endokrinologe aus Hamburg. Östrogene und Gestagene haben zwar grundsätzlich das Potenzial, Stoffwechselparameter wie Insulinresistenz und Blutfette je nach androgener und antiandrogener Potenz zu beeinflussen – der Effekt scheint aber eher gering zu sein.
Auch die häufig befürchtete Gewichtszunahme ist unter kombinierter oraler Kontrazeption nicht belegt. Bei oralen Gestagen-Monopräparaten muss hingegen mit einem Plus bis zu 2 kgKG gerechnet werden. „Das ist vor allem durch vermehrte Flüssigkeitseinlagerungen bedingt“, erklärte Prof. Merkel. Die größte Gewichtszunahme (im Mittel + 4 kgKG) beobachte man bei den selten eingesetzten gestagenhaltigen 3-Monats-Spritzen.
In der Nurses-Health-Studie war bei oraler Kontrazeption kein erhöhtes Risiko für einen neu aufgetretenen Diabetes zu erkennen. Eine Beeinflussung des Glukosestoffwechsels durch hormonelle Kontrazeptiva muss nach Aussage des Referenten ebenso wenig befürchtet werden wie eine Zunahme mikrovaskulärer Komplikationen bei einem Typ-1-Diabetes. In einer Studie mit 384 Teilnehmerinnen fand sich keine Assoziation zwischen der Einnahme der Präparate und Blutdruck, HbA1c, Proteinurie, Retinopathie sowie BMI.
Das Thromboserisiko wiederum ist unter oraler Kontrazeption mit oder ohne Diabetes gleichermaßen etwa um den Faktor 2,5 erhöht.
Aufpassen sollten Frauen mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko. Hier könnten die oralen Kontrazeptiva additiv wirken. Dazu gehören Erkrankte mit mehreren kardiovaskulären Risikofaktoren einschließlich Dyslipidämien, unkontrollierten Hypertonus, diabetischer mikrovaskulärer Komplikationen und einer über 20-jährigen Diabetesdauer aber auch Raucherinnen. Für sie sollte man ggf. alternative Verhütungsmethoden diskutieren, so Prof. Merkel.
Bezüglich der Frage nach einer postmenopausalen Hormonersatztherapie gelten im Prinzip die gleichen Empfehlungen wie bei anderen Frauen auch, führte der Experte aus. Indikationen sind vor allem vasomotorische Beschwerden, urogenitale (atrophische) Symptome und eine Osteoporose. Hierfür sollte möglichst das Zeitfenster in den ersten fünf bis zehn Jahren direkt nach der Menopause genutzt werden, in dem die Frauen am meisten von der Hormongabe profitieren und die Risiken noch relativ gering sind. „Ein Typ-2-Diabetes sollte kein Grund sein, Frauen in dieser Situation die Hormonersatztherapie vorzuenthalten“, lautete das Fazit von Prof. Merkel.
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