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Rapunzelsyndrom sorgt für rätselhafte Bauchschmerzen Haare im Magen als Schmerzursache
![Haare im Magen als Schmerzursache Die Betroffenen fühlen sich durch das Ausreißen der Haare erleichtert und weniger angespannt. (Agenturfoto)](/fileadmin/Bilder/Artikelbilder/2025/01_Januar_2025/20250129_Rapunzel_AdobeStock_Dusan-Petkovic_1224757663.png)
Ein 16-jähriges Mädchen litt unter starken Bauchschmerzen, die einen Schulbesuch unmöglich machten. Zudem hatte sie dreimal erbrochen und klagte über Übelkeit. In den letzten zwei Wochen hatten die intermittierenden Schmerzen an Frequenz und Schwere zugenommen. Zuletzt hielten sie ca. zwei Minuten an und traten zweimal pro Tag auf, sodass die Eltern mit ihr die Notaufnahme aufsuchten.
Die Ärztinnen und Ärzte der zuerst konsultierten Klinik fanden ein druckdolentes Abdomen im Epigastrium und den beiden oberen Quadranten mit Abwehrspannung. Zudem bestand eine mäßige Leukozytose sowie eine leicht ausgeprägte mikrozytäre Anämie. Die Ultraschalluntersuchung verlief ohne auffälligen Befund. Die Patientin erhielt Paracetamol oral und Ketorolac i. v. sowie einen H2-Blocker und ein Antiemetikum.
Zahlreiche Untersuchungen ohne auffälligen Befund
Die Beschwerden nahmen aber weiter zu und führten sie schließlich nach weiteren zwei Wochen in die Kinderklinik der UMass Chan Medical School, wie Garrett Zella und Team berichten. Auch dort fand man keine Besonderheiten im Sonogramm. Nierenfunktionstests fielen normal aus, ebenso Bilirubin und Leberenzyme. In der CT ohne orales Kontrastmittel zeigte sich ebenfalls ein unauffälliger Befund.
Der Ausschluss möglicher Differenzialdiagnosen sowie die Vorgeschichte führten schließlich auf die richtige Spur. Die Schmerzepisoden traten plötzlich auf und besserten sich, nachdem die Patientin erbrochen hatte. Das Team aus Massachusetts tippte daher auf eine mechanische Ursache, am ehesten auf ein Hindernis im Magenausgang. Als Kleinkind war bei dem Mädchen ein Picasyndrom diagnostiziert worden – eine Essstörung, bei der die Betroffenen ungenießbare bzw. ekelerregende Dinge zu sich nehmen.
Ein Trichobezoar im Magen, verursacht durch das Ausreißen und Verzehren eigener Haare (Trichotillomanie und -phagie) könnte die Schmerzen erklären. Tatsächlich fand sich bei der Endoskopie ein solches großes Gebilde, das mit einem Ausläufer bereits ins Duodenum vorgedrungen war. In diesem Fall spricht man von einem Rapunzelsyndrom. Trichobezoare formen sich aus den unverdaubaren Haaren und anderen Nahrungsbestandteilen, wachsen und verfilzen. Enzymatische Auflösung funktioniert nicht, sodass die Gebilde endoskopisch oder operativ entfernt werden müssen. Bei der Patientin war wegen der Größe des Bezoars eine Operation erforderlich.
Die Trichotillomanie gehört zu den Zwangsstörungen und beginnt häufig in der frühen Adoleszenz. Die Betroffenen fühlen sich durch das Ausreißen der Haare erleichtert und weniger angespannt. Typischerweise setzen sie alles daran, ihr Verhalten sowie den entstehenden Haarverlust zu verbergen. Auch die 16-jährige Patientin leugnete eine Trichotillomanie. Für die indizierte psychiatrische Behandlung wäre es aber wichtig, die Hintergründe für die Störung aufzudecken, schreiben die Autorinnen und Autoren. Erfolgversprechend ist eine Kombination aus Psychoedukation, Verhaltenstherapie und eventuell Pharmakotherapie. Da die Patientin Kontrolltermine nicht mehr wahrnahm, weiß man nicht, ob ihr geholfen werden konnte. Zuletzt hatte sie entschieden, statt psychiatrischer Hilfe lieber eine Hypnotherapie in Anspruch zu nehmen.
Quelle: Zella GC et al. N Engl J Med 2024; 391: 1937-1945; DOI: 10.1056/NEJMcpc2402499