Homeoffice in Pandemiezeiten – Fluch und Segen zugleich
Einige große Firmen haben bereits angekündigt, auch nach Ende der Pandemie interessierten Mitarbeitern das Homeoffice zu ermöglichen. Ihre Argumente: Die größere Flexibilität der Organisation von Arbeit und Familie reduziere die Stressbelastung der Beschäftigten. Zudem steige aufgrund seltenerer Ablenkungen deren Produktivität. Die Arbeitgeber sehen zudem Einsparungspotenzial bei Reise- sowie Bürokosten. Bedeutet diese Art der Arbeitsorganisation aber tatsächlich mehr Freiheit?
Forscher um Professor Dr. Ela Sjølie von der Faculty of Economics and Management der Norwegian University of Science and Technology (NTNU) meinen nein: Sie halten die räumliche Trennung von Beschäftigten eines Unternehmens insbesondere im Hinblick auf die Zusammenarbeit sowie die Qualität der geleisteten Arbeit für problematisch.
Da auch viele Hochschulen während der letzten Monate ihre Mitarbeiter ins Homeoffice schickten und Lehrveranstaltungen über digitale Medien anboten, befragten Prof. Sjølie und ihre schwedischen, finnischen und australischen Kollegen 1600 Studierende sowie 16 Dozenten verschiedener Fakultäten zu ihren Lern- und Arbeitserfahrungen während der Coronapandemie.
Das Ergebnis ihrer Untersuchung: Nicht jeder Mitarbeiter wurde im Homeoffice effektiver. Während einige Befragten die Vorzüge der Ruhe und Flexibilität im häuslichen Arbeitsumfeld genossen und eher produktiver wurden, mangelte es anderen an Motivation und einer klaren Struktur des Tagesablaufs.
Auch die soziale Komponente litt im Homeoffice: Viele Studierende und Lehrende vermissten den Austausch mit Kommilitonen und Kollegen. Einige der Dozenten mussten zudem zeitgleich schulpflichtige Kinder betreuen – ein Problem, was nach Ende der Pandemie allerdings keine Rolle mehr spielen dürfte, meinen Prof. Sjølie und Kollegen.
Trotz der höheren persönlichen Arbeitsflexibilität des einzelnen Mitarbeiters sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Homeoffice-Situation besonders im Hinblick auf die Teamarbeit kritisch: Arbeitnehmer müssen die Möglichkeit haben, sich mit Kollegen treffen zu können, um ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln, meinen sie.
Die ausschließlich digitale Zusammenarbeit erfordert zudem ein höheres Maß an Strukturierung und Vorausplanung sowie eine detaillierte digitale Kommunikation. Ein guter Arbeitsfluss sowie spontane Planänderungen sind ohne physische Treffen schwieriger.
Prof. Sjølie und Kollegen fanden zudem heraus, dass Homeoffice-Mitarbeiter sich häufig scheuen, kleinere aber wichtige Rückfragen zu stellen, beispielsweise weil sie Kollegen nicht stören wollen. Dies verschlechtert unter Umständen die Qualität der geleisteten Arbeit.
Das Homeoffice bietet Vorteile für viele, längst jedoch nicht für alle Arbeitnehmer, so das Fazit der Experten. Sie gehen davon aus, dass sich viele Beschäftigte auch nach der Pandemie für diese Arbeitssituation entscheiden werden. Physische Zusammentreffen mit Arbeitskollegen sind dennoch wichtig, mahnen sie – nicht nur im Hinblick auf die sozialen Bedürfnisse des Einzelnen, sondern auch aus Sicht der Arbeitgeber und im Hinblick auf die Arbeitsqualität.
Quelle: Pressemitteilung – Norwegian University of Science and Technology