IgG4-assoziierte Autoimmunerkrankung zeigt sich sehr variabel
Die Klassifikationskriterien für die IgG4-assoziierte Autoimmunerkrankung haben die Wissenschaftler von ACR (American College of Rheumatology) und EULAR (European League Against Rheumatism) in einem mehrstufigen und komplexen Prozess erarbeitet. Dazu zogen die Autoren um Dr. Zachary S. Wallace von der Abteilung für Rheumatologie am Massachusetts General Hospital die Daten von 1879 Patienten heran. Darunter waren 1086 sicher diagnostizierte Kranke und 793 Patienten mit einer Symptomatik, die zwar an die immunologische Systemerkrankung denken ließ, bei denen diese aber zuverlässig ausgeschlossen worden war.
Das IgG4 im Serum ist nicht zwangsläufig erhöht
Zunächst stellten die Experten anhand einer ersten Patientengruppe eine Reihe von Befunden zusammen, die für oder auch gegen die Diagnose der Multiorganerkrankung sprachen. Im Anschluss daran gewichteten sie die einzelnen Kriterien und generierten mithilfe einer speziellen Software Punktwerte für jeden einzelnen Befund. Die Einschlusskriterien umfassten Veränderungen aus sechs Bereichen:
- Die immunhistochemische Anfärbung weist IgG-positive Zellen nach.
- Exokrine Drüsen im Kopf-Hals-Bereich wie Tränen- und Speicheldrüsen sind beidseits betroffen, auch wenn der Befund asymmetrisch ausfallen kann. Der Befall zeigt sich bei der körperlichen, radiologischen oder histologischen Untersuchung.
- Die Schnittbildgebung am Thorax zeigt peribronchovaskuläre und septale Verdickungen in der Lunge. Das paravertebrale bandförmige Weichteilgewebe findet sich dabei im Allgemeinen auf der rechten Seite zwischen Brustwirbelkörper 8 und 11 und umschließt nicht die Aorta.
- Das Pankreas ist normalerweise über mindestens zwei Drittel seiner Ausdehnung diffus vergrößert. An den proximalen Gallengängen besteht eine sklerosierende Cholangitis, oft mit glatten, verdickten Wänden.
- Renal finden sich ein- oder beidseits verdickte Wände der Nierenbecken, ausgeprägte Stenosen sind selten. Die Kontrastmittel-CT kann in den Nierenrinden beidseits fleckförmige oder runde Bereiche geringer Dichte nachweisen, die ansonsten nicht auffallen.
- Im Retroperitonealraum zeigt sich eine Fibrose oder Periaortitis, die typischerweise den gesamten Umfang oder den anterolateralen Bereich der Aorta betrifft (vor allem infrarenal) und gegebenenfalls auf die Aa. iliacae übergreift.
Erhöhte Konzentrationen des IgG4 im Serum müssen nicht vorliegen. Hohe Werte deuten aber stark auf die IgG4-assoziierte Erkrankung hin. Die Ausschlusskriterien umfassen die Bereiche:
- Klinik, etwa das fehlende Ansprechen auf Glukokortikoide oder Fieber über 38 °C,
- Serologie, z.B. periphere Eosinophilie, Nachweis von ANCA oder von Antikörpern gegen dsDNA, Ro, La oder weiteren Antikörpern, die andere Erkrankungen vermuten lassen,
- Radiologie, wie unklare Raumforderungen in der Lunge oder osteosklerotische Läsionen in den langen Röhrenknochen,
- Pathologie, z.B. neutrophile oder primär granulomatöse Infiltrate, nekrotisierende Vaskulitiden.
Diagnose ab einem Einschlusskriterium
Einige Diagnosen schließen zwangsläufig die IgG4-vermittelte Autoimmunerkrankung aus. Dazu gehören chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), ein multizentrischer Morbus Castleman und eine Hashimoto-Thyreoiditis, die ausschließlich die Schilddrüse betrifft.
Bei der Validierung der Klassifikationskriterien strebten die Autoren vor allem eine hohe Spezifität an, um falsch positive Diagnosen weitgehend auszuschließen und die Bildung möglichst homogener Gruppen in klinischen Studien zu ermöglichen. Ist mindestens eines der Einschlusskriterien erfüllt, kein Ausschlusskriterium vorhanden und werden im Scoring 20 Punkte oder mehr erreicht, kann die Diagnose IgG4-assoziierte Erkrankung gestellt werden.
Quelle: Wallace ZS et al. Arthritis Rheumatol 2020; 72: 7-19; DOI: 10.1002/art.41120