Komasaufen stellt kardiales Wachstum von physiologisch auf pathologisch
Das Herz muss bei Jugendlichen relativ rasch wachsen, damit die Leistung Schritt halten kann mit der Entwicklung des Körpers und den steigenden metabolischen Anforderungen. Während der Adoleszenz kann sich die Herzmasse dadurch mehr als verdoppeln.
Bekannt ist, dass übermäßiger Alkoholkonsum bei Erwachsenen progrediente Remodeling-Prozesse induziert, die nach einem längeren Zeitraum in eine alkoholische Kardiomyopathie münden können. Bei jugendlichen „Komasäufern“ trifft der Alkohol allerdings in einer kritischen Phase schnellen Wachstums auf das Herz. Veränderungen treten hier schon nach wesentlich kürzerer Zeit ein, wie Untersuchungen an adoleszenten männlichen Ratten nach sechstägiger Alkoholexposition ergaben.
Das physiologische kardiale Wachstum wird gehemmt – bei den Ratten erkennbar an kleineren ventrikulären Füllungsvolumina und reduzierter Transkription relevanter Gene. Es kommt zu einer konzentrischen Hypertrophie und die myokardiale Wanddicke nimmt zu.
Das Wachstum wird sozusagen umgepolt in Richtung pathologische Hypertrophie, schreiben Lizhuo Ai vom Department of Cell and Molecular Physiology der Loyola University Chicago Stritch School of Medicine und Kollegen. Dementsprechend zeigten sich Marker für pathologischen Stress, z.B. eine Hemmung der für die Transkriptionsregulation verantwortlichen Enzyme ERK1 und ERK2 sowie eine Hyperphosphorylierung von Titin durch eine Proteinkinase C (PRCa). Letzteres war verbunden mit einer erhöhten zellulären Steifigkeit und verminderter In-vivo-Relaxation.
Die durch die Hypertrophie verringerten Füllungsvolumina kompensierten die Tiere über eine verstärkte systolische Funktion und Sympathikus-Aktivierung. Auf molekularer Ebene wurde dafür die Phosphorylierung von Troponin I durch die Proteinkinase A hochgefahren, was zu einer Abnahme der Kalzium-Empfindlichkeit von Myofilamenten führt.
Prädisposition für spätere Herzinsuffizienz
Dieser Ausgleichsversuch mag zunächst die Herzleistung normalisieren, was sich mit der klinischen Beobachtung deckt, dass jugendliche „Komasäufer“ selten manifest herzkrank sind. Langfristig prädisponieren die Kompensationsmechanismen aber für kardiovaskuläre Erkrankungen, insbesondere Herzinsuffizienz. Die durch das „binge drinking“ ausgelösten Strukturveränderungen blieben die gesamte Jugend der Versuchstiere über bestehen – auch nachdem die Alkoholexposition beendet wurde.
Quelle: Ai L et al. J Am Heart Assoc 2020; 9: e015611; DOI: 10.1161/JAHA.119.015611