Alkoholkonsum verursacht Schäden an der DNA
Dass gerade Mundhöhle, Kehlkopf und Speiseröhre besonders oft Opfer von alkoholbedingten Tumoren werden, lässt sich inzwischen gut erklären: Der Genuss der berauschenden Getränke führt gerade im Speichel zu hohen Acetaldehyd-Werten. Und dieses Ethanol-Abbauprodukt verursacht Schäden am Erbgut, bremst die DNA-Reparatur und steigert die Produktion aggressiver Sauerstoffverbindungen. Auch deshalb verdoppelt bis verfünffacht bereits der Konsum von rund 50 g Alkohol am Tag die Wahrscheinlichkeit, an solchen Karzinomen zu erkranken, wie Professor Dr. Hans Scherübl von der Klinik für Innere Medizin am Vivantes-Klinikum Am Urban in Berlin erläutert.
Frauen müssen schon bei 10 g pro Tag damit rechnen, ihr Risiko für ein Mammakarzinom signifikant nach oben zu treiben – wobei es gerade beim Brustkrebs keinen unbedenklichen Schwellenwert für risikoarmen Alkoholkonsum gibt. Es gilt dieselbe Regel wie bei allen anderen alkoholbedingten Tumoren: Je mehr und je länger jemand trinkt, umso eher spielt er mit seiner Gesundheit. Pro zusätzlich am Tag konsumierten 10 g Ethanol wächst das Erkrankungsrisiko abhängig von der Krebsentität um bis zu 7 %.
Vor allem Magen und Darm sind gefährdet
Im Brustgewebe scheint der Alkohol vor allem über eine Hebung des Östrogenspiegels prokanzerogen zu wirken. In anderen Organen sind es andere Mechanismen: oxidativer Stress, der Verlust von Retinoiden, Effekte auf Epigenetik und Signalwege von Krebsgenen sowie Entzündungen und Immunsuppression. Und auch hier spielt das Acetaldehyd eine wichtige Rolle.
Zu den besonders gefährdeten Organen zählen der Dickdarm (deutlicher Risikoanstieg ab 30–45 g/d), der Magen (ab 45 g/d) und die Bauchspeicheldrüse. Im Pankreas ist Alkohol für geschätzte 3 % aller Karzinome verantwortlich. Bei der Leber muss die Zirrhose als Präkanzerose gelten, die mit einem jährlichen Krebsrisiko von 1–5 % verbunden ist. Zudem scheint Ethanol die onkogene Wirkung von Hepatitis-B- und -C-Viren zu potenzieren und die Gefahr der Tumorentstehung im Rahmen einer Fettleberentzündung zu erhöhen.
Tabakkarzinogene dringen mit Alkohol leichter in die Zellen
All das gilt im Besonderen, wenn zusätzlich geraucht wird. Denn Tabak und Ethanol wirken in Hinblick auf die Krebsentstehung in mehrfacher Hinsicht synergistisch. Beispielsweise scheint das Lösungsmittel Alkohol den Übertritt der Karzinogene aus dem Tabakrauch in die Zellen zu erleichtern. Für diese Patienten gilt laut Prof. Scherübl wie für alle anderen trinkfreudigen Menschen: Bei riskantem Alkoholkonsum sollte die Teilnahme an Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung mit besonderer Dringlichkeit empfohlen werden.
Quelle: Scherübl H. Dtsch Med Wochenschr 2019; 144: 1354-1360; DOI: 10.1055/a-0928-0586