Management des Spontan­pneumo­thorax Konservativ hat Vorfahrt

ERS 2023 Autor: Manuela Arand

Drainage als Option der ersten Wahl bei spontanen Pneus dürfte bald passé sein. Drainage als Option der ersten Wahl bei spontanen Pneus dürfte bald passé sein. © samrith – stock.adobe.com

Erstmals haben die Fachgesellschaften ERS, EACTS und ESTS* gemeinsame evidenzbasierte Empfehlungen zum Management des Spontan­pneumo­thorax vorgelegt. Die überraschende Erkenntnis: Am besten ist es in vielen Fällen, abzuwarten und zu beobachten. 

Anhand eines fiktiven Patienten stellte Dr. Steven Walker, Universität Bristol, die Aussagen der neuen Leitlinie zum Management des primären Spontanpneu (PSP) vor: Jonny, 23 Jahre alt, berichtet, er bekomme seit zwei Tagen schlechter Luft. Ansonsten gehe es ihm gut. Die Anamnese ist leer, die Befunde sind unauffällig: Sättigung 97 %, Atemfrequenz 18/min, Blutdruck 120/70 mmHg. Das Röntgen enthüllt jedoch einen massiven Pneumo­thorax rechts. 

Die Standardbehandlung in solch einer Situation bestand bisher in der Thoraxdrainage. Aber es gibt Alternativen, die inzwischen auch direkt gegen die Drainage geprüft wurden. Das Leitliniengremium sah sich die entsprechenden Studien nach dem PICO-Verfahren (Population, Intervention, Comparator, Outcome) an. 

Konservative Therapie

Wartet man bei Patienten mit PSP zu, bis sich die Lunge von selbst entfaltet, ist für sie der Klinikaufenthalt im Schnitt um 4,5 Tage kürzer als bei Thoraxdrainage. Pro 1.000 Fälle gibt es im Vergleich 81 Rezidive und 152 Folgeprozeduren weniger. Empfohlen wird daher, Patienten mit geringer Atemnot und klinisch-radiologischer Stabilität konservativ zu behandeln. Wichtig: Das Ausmaß des Pneumothorax spielt für die Therapieentscheidung keine Rolle. Selbst große Pneus wie bei Jonny können konservativ ge­managt werden. 

Nadelaspiration

Auch bei diesem Verfahren ist die Hospitalisationsdauer im Vergleich zur Thoraxdrainage um 2,2 Tage verkürzt. Der Symptomscore fällt niedriger aus und Folgeinterventionen werden bei 40 von 1.000 Patienten vermieden. Die Studienlage zur Nadelaspiration ist mit sechs Studien besonders robust, sodass die Empfehlung der Leitlinien­autoren lautet: Nadel vor Katheter in der Ini­tialtherapie.

Neue Devices mit Heimlichventil

In der ambulanten Therapie sind die Resultate mit solchen Devices annähernd so gut wie die beim konservativen Vorgehen: Pro 1.000 Patienten gibt es im Vergleich zur Thoraxdrainage 39 Rezidive weniger, erneute Prozeduren sind in 148 Fällen erforderlich. Die Leitlinie empfiehlt dieses Prozedere deshalb für die Initialtherapie. Es sollte aber erfahrenen Zentren vorbehalten bleiben, die darauf eingestellt sind, PSP-Patienten ambulant zu führen. 

Frühe chirurgische Therapie

Die frühe Operation des PSP zeichnet sich durch die niedrigste Rezidiv­rate aus. Im Vergleich zur Katheter­drainage liegt sie um 271/1.000 Fälle niedriger. Außerdem resultieren bei 95 von 1.000 Patienten weniger Komplikationen. Bisher galt die Operation als Reserve­option für Patienten, die schon mehr als einen Pneu durchgemacht haben. Jetzt wird empfohlen, sie bei denjenigen zu erwägen, denen es besonders darauf ankommt, ihr Rezidivrisiko zu senken. 

Die weiteren Abschnitte der Leitlinie befassen sich mit dem persis­tierenden Luftleck nach einer Thoraxdrainage und mit dem Schutz vor Rezidiven. Die Empfehlungen sind noch nicht veröffentlicht, jedoch bereits zur Publika­tion im Euro­pean Respiratory Journal angenommen.

* European Respiratory Society, European Association for Cardio-Thoracic Surgery, European Society of Thoracic Surgeons

Quelle: ERS International Congress 2023