Biologische Krebstherapie Kräuter und Kapseln gegen Krebs?

Autor: Dr. Anita Schweiger

Die Misteltherapie (links) scheint die Prognose zu verschlechtern. Antioxidanzien (rechts) wirken wohl auch kontraproduktiv. Die Misteltherapie (links) scheint die Prognose zu verschlechtern. Antioxidanzien (rechts) wirken wohl auch kontraproduktiv. © photocrew – stock.adobe.com, mtphoto19 – stock.adobe.com

Etwa die Hälfte der Tumorpatienten verwendet komplementäre oder alternative Heilmethoden in der Hoffnung auf eine bessere Prognose. Aus dem Blickwinkel der evidenzbasierten Medizin wurden die biologisch basierten Therapien jetzt kritisch unter die Lupe genommen.

Viele Krebspatienten fragen ihren Arzt oder ihre Ärztin: „Was kann ich selbst tun?“ Professor Dr. ­Jutta H­übner vom Universitätsklinikum Jena beantwortete dies mit: „Bewegung!“ Sie zitierte aus der aktuellen S3-Leitlinie Komplementäre Onkologie, die besagt: Betroffenen mit einer Tumor­erkrankung soll körperliche Aktivität unter und nach Abschluss der Behandlung empfohlen werden. Das Training soll die Elemente Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Koordination enthalten.

Für viel Diskussion sorgte der Referentin zufolge das Thema Immunstimulanzien, darunter insbesondere die Misteltherapie. Es gebe randomisierte kontrollierte Studien, deren Ergebnisse auf eine Verbesserung der Lebensqualität hinweisen – allerdings verringere sich mit einer höheren methodischen Qualität der Effekt. Einen Überlebensvorteil gab es meist nicht. Als bedenkenswert bezeichnete Prof. Hübner das Ergebnis einer Analyse von über 18.000 Frauen mit Mammakarzinom, in der 164 Erkrankte die Mistel nutzten. Sie hatten im Vergleich zu einer passenden Kontrollgruppe eine schlechtere Prognose.

Vitamine – nicht zu wenig und nicht zu viel

Was die Mikronährstoffe betrifft, so sind die meisten Patienten über die Ernährung ausreichend versorgt, sagte die Referentin. Ausgenommen seien Personen mit Pankreas- und Magenkarzinom oder anderen Ernährungsstörungen. Prof. Hübner empfahl, den Serumspiegel von Vit­amin B12 und D sowie Selen gegebenenfalls zu messen und dann rational zu handeln.

Etwas Sorge bereitet der Expertin der zunehmende Verzehr von Antioxidanzien. Eine Arbeitsgruppe aus Heidelberg analysierte die Anwendung von Nahrungsergänzungsmitteln vor und nach Diagnose bei postmenopausalen Frauen mit nicht-metastasiertem Brustkrebs. Die Antioxidanzien-Einnahme führte bei 1.940 Erkrankten mit adjuvanter Radio- und/oder Chemotherapie zu einer erhöhten Gesamtmortalität und einem kürzeren rezidivfreien Überleben.

Vitamin C wird hoch konzentriert zu einem Oxidans, erklärte Prof. Hübner. Allerdings soll gemäß der S3-Leitlinie** onkologischen Patienten die orale Gabe im höheren Dosisbereich nicht mit dem Ziel empfohlen werden, tumortherapeutisch oder in der Sekundärprävention das Gesamt- oder progressionsfreie Überleben zu verlängern oder die behandlungsassoziierte Toxizität zu senken. Hinsichtlich hoch dosiertem intravenösem Vitamin C kann keine Empfehlung für oder gegen die Anwendung ausgesprochen werden.

Es gebe eine Reihe von Studien, die für Menschen mit soliden Krebsarten und Vitamin-D-Mangel auf eine schlechtere Prognose hindeuten, sagte die Referentin. Laut der S3-Leitlinie sollte der 25-OH-Vit­amin-D-Spiegel von onkologischen Patienten gemessen werden. Es gibt aber keine Empfehlung für oder gegen die Gabe über die Kompensa­tion eines Mangels hinaus. Zur Prophylaxe einer mit der Tumortherapie assoziierten Osteo­porose sollte eine Supplementation mit 800–1.000 IE Vitamin D3 erfolgen. Allerdings erreichen Betroffene mit einem Mangel damit meist nicht den Normbereich, so Prof. Hübner. Die Expertin mahnte außerdem zur Vorsicht: Zu wenig ist ungünstig – ein Überschuss aber auch.

Zur Prävention einer radiotherapeutisch induzierten Mukositis mithilfe von Selen existieren Daten aus einer randomisierten Studie, an der Personen mit fortgeschrittenen Kopf-Hals-Tumoren teilgenommen hatten. Gemäß der Leitlinie kann es in diesen Fällen zur Vorbeugung erwogen werden. Gleiches gilt für Natriumselenit zur Protektion vor radiotherapieassoziierten Nebenwirkungen, insbesondere Diarrhö, für Frauen mit Gebärmutter- oder Gebärmutterhalskrebs und gleichzeitig bestehendem Selenmangel. 

Neurotoxizitäten: Kein Carnitin geben!

Weisen Patienten Neurotoxizitäten auf, könne man ihnen außer einem sensomotorischen Training kaum etwas anbieten. B-Vitamine und Vitamin E hätten keinen Effekt, erinnerte Prof. Hübner. Die Gabe von Carnitin führte in einer Studie nach 24 Wochen sogar zu signifikant mehr chemotherapieinduzierten peripheren Neuropathien.

Pflanzliche Alternativen gegen Nebenwirkungen

Um die Lebensqualität zu verbessern, gibt es einige geeignete Strategien. Gegen zytostatikainduzierte Übelkeit und Erbrechen kann Ingwer zusätzlich zur leitliniengerechten Antiemese helfen. Doch Vorsicht – auch hier kommt es auf die Dosis an. Die beste Wirkung zeigte sich in einer Studie mit 0,5 g und 1 g. In sehr hohen Dosierungen, so Prof. Hübner, kann sich die Übelkeit verschlimmern. Ein systematisches Review belegt für Probio­tika eine signifikante Verminderung der Diarrhö. Vorsicht ist geboten, wenn Erkrankte eine intensive, hoch dosierte Chemo­therapie erhalten: Hier existieren Fallberichte von Bakter­ämie und Fungämie. Zur Linderung der oralen Mukositis mit Honig gab es eine positive Metaanalyse. Auffällig: In allen negativen Studien wurde Manuka-Honig eingesetzt. Dieser enthält eine relativ aggressive Substanz, die gut für Wundreinigung sein mag, aber nicht für die empfindliche Mundschleimhaut, konstatierte Prof. Hübner. Deshalb: normaler Honig ja, andere Sorten nein. Gegen Hitzewallungen wirkt die Traubensilberkerze etwas besser als ein Placebo. Mittlerweile ausgeräumt seien die Bedenken, dass es sich dabei um ein Phytoöstrogen handelt, sodass auch Frauen mit einer antihormonellen Tumor­therapie auf die Pflanze zurückgreifen können. Gemäß S3-Leitlinie kann der Einsatz daher erwogen werden, um menopausale Symptome zu lindern. Leiden Betroffene unter Fatigue, kann Ginseng erwogen werden. Dieser enthält allerdings Phyto­östrogene und sei wahrscheinlich für Frauen mit hormonabhängigem Mammakarzinom ungünstig. Das beste Mittel gegen Fatigue ist körperliche Aktivität, betonte die Referentin. Viel motivieren, langsam auftrainieren, sei hier das Motto. Die Datenlage zu Gingko hinsichtlich kognitiver Dysfunktion ist schwierig zu interpretieren. Sicher sei hingegen, dass z.B. Qigong, Tai-Chi und Yoga helfen können. Die beste körperliche Bewegungsform zur Verbesserung der kognitiven Funktion sei das Tanzen.

Quelle: 27. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie*

* Online-Veranstaltung
** S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung­ von onkologischen PatientInnen, AWMF-Registernummer: 032/055OL, www.awmf.org