Kranke Mandeln richtig behandeln
Bei der kompletten oder subkapsulären Tonsillektomie (TE) werden die Gaumenmandeln vollständig reseziert und hyperplastische Rachenmandeln im Bedarfsfall gleich mit entfernt (Adenotonsillektomie, ATE). Ein relativ neues Verfahren ist die subtotale/intrakapsuläre/partielle Tonsillektomie (SIPT). Je nach Technik bleibt dabei ein schmaler Streifen des Tonsillengewebes oder nur die Kapsel erhalten, schreibt Professor Dr. Jochen P. Windfuhr, HNO-Arzt an den Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach.
Im Rahmen der Tonsillotomie (TT) werden nur die Gewebsanteile medial des Gaumenbogens entfernt, ohne größere Gefäße an der Kapsel zu eröffnen. Im Gegensatz zur TE sind die Kinder bereits unmittelbar postoperativ symptom- und schmerzfrei. Allerdings entwickeln sich aufgrund des verbliebenen Restgewebes in etwa 3 % Rezidive (Tonsillitis, Obstruktion), die ggf. einen erneuten Eingriff erfordern. Ein entscheidender Vorteil der Tonsillotomie ist das wesentlich seltenere Auftreten von Nachblutungen.
Hämorrhagien treten vor allem nach TE auf. Sie können sich auch nach scheinbar komplettem Abheilen des Lokalbefunds noch ereignen und im Einzelfall sogar zum Tod des Kindes führen. Deshalb empfiehlt Prof. Windfuhr eine regelmäßige HNO-ärztliche Kontrolle der Wunden.
Zur Therapie entzündlicher und obstruktiver Krankheitsbilder eignen sich beide Verfahren (TE und TT). Die adenotonsilläre Hyperplasie, die auch einseitig und sogar nach einer Tonsillotomie noch auftreten kann, macht sich meist mit habituellem Schnarchen bemerkbar. Sie kann aber auch bereits im Kindesalter ein – eventuell schweres – obstruktives Schlafapnoesyndrom auslösen. Unbehandelt drohen Wachstums- und Verhaltensstörungen, kognitive Defizite und kardiovaskuläre Erkrankungen. Deshalb sollten Kinder mit Tonsillenhyperplasie, die ungewöhnlich laut schnarchen, von Pädiater und HNO-Arzt untersucht werden.
Spontanremission möglich, aber nicht vorhersehbar
Therapeutisch erzielt die Adenotonsillektomie eine bessere Wirkung als die alleinige Entfernung von Gaumen- oder Rachenmandeln. Sie wird für Kinder empfohlen, die mindestens zwei Jahre alt sind. Alternativ darf man bei Kindern mit moderaten Symptomen und fehlender Hypoxämie ein halbes Jahr kontrolliert zuwarten. Der wichtigste Risikofaktor für die Schlafapnoe bei Kindern ist neben der adenotonsillären Hyperplasie die Adipositas (s. Kasten), entsprechend wirkt eventuell schon eine Gewichtsabnahme.
Risikofaktoren für Schlafapnoe
- Übergewicht bzw. Adipositas
- kraniofaziale Anomalien
- neuromuskuläre Erkrankungen
- Mukopolysaccharidose
- Chromosomenstörungen
- Sichelzellanämie
- Alter < 2 Jahre
- niedriges Geburtsgewicht
- positive Familienanamnese
Paradise-Kriterien zur Tonsillektomie-Indikation bei rezidivierenden Halsschmerzen | |
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Kriterium | Definition |
Patientenalter | 3–15 Jahre |
Anzahl der Tonsillitis-Episoden |
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Episoden-Definition: Halsschmerz und mindestens eines der vier Zeichen |
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bisherige Therapie | Antibiotika gegen Streptokokken (bei jeder Episode) |
Dokumentation |
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nach Windfuhr JP. HNO 2020; 68: 543-552 |
Bei unter 5-Jährigen auch an ein PFAPA-Syndrom denken
Die Therapie des Peritonsillarabszesses richtet sich nach der Ausprägung. Eine sofortige TE ist nur bei besonderen Problemen bzw. relevanten Tonsillitiden bzw. vorbehandeltem Abszess in der Anamnese indiziert. Bei Erstereignissen oder komplikationsfreiem Verlauf genügt meist eine Nadelaspiration bzw. Inzisionsdrainage. Wenn Kinder unter fünf Jahren rezidivierende Fieberschübe mit Halsschmerzen erleiden, rät Prof. Windfuhr, auch an ein PFAPA*-Syndrom zu denken. Die Symptome lassen sich mit einem Kortikosteroid lindern, allerdings verkürzen sich die Zeitintervalle zwischen den Fieberschüben. Wegen der Spontanremission innerhalb von drei Jahren ist eine Tonsillektomie nur in Einzelfällen indiziert.* Periodisches Fieber, aphthöse Stomatitis, Pharyngitis und Adenitis
Quelle: Windfuhr JP. HNO 2020; 68: 543-552; DOI: 10.1007/s00106-020-00884-3