Allergologie Kranke zu Immungesunden machen

Autor: Stefanie Menzel

Die Pollenflugsaison hat längst begonnen. Das liegt auch an der Klimakrise. Die Pollenflugsaison hat längst begonnen. Das liegt auch an der Klimakrise. © schulzie – stock.adobe.com

Die Nase läuft, die Augen jucken und der Hals kratzt – bei Heuschnupfensymptomen greifen viele Patienten erst einmal zu freiverkäuflichen Medikamenten. Doch eine Pollinosis ist wie jede andere Allergie auch eine entzündliche Erkrankung, die sich auf weitere Organsysteme ausweiten kann. Sie sollte kausal angegangen werden.

Wir Deutschen leben sehr steril und dadurch fehlt wahrscheinlich eine Menge an toleranzinduzierendem Immuntraining, erklärt Prof. Dr. ­Ludger ­Klimek vom Allergiezentrum Wiesbaden. Dies sei aber nur einer der Gründe, warum etwa jeder fünfte Erwachsene damit rechnen muss, im Laufe seines Lebens eine Pollenallergie zu entwickeln. Im Podcast O-Ton-Allgemeinmedizin nennt er eine Reihe weiterer endogener und exogener Faktoren, die vermutlich mitverantwortlich dafür sind, dass die Fallzahlen zunehmen.

Während die Patienten früher meist nur auf ein einziges Allergen reagiert haben, zeigen sie heute oft Poly­sensibilisierungen, was die Diagnose nicht gerade erleichtert. Hinzu kommen immer öfter Kreuzreaktionen auf Lebensmittel. Das Thema ist mittlerweile so wichtig, dass Hausärzte sich damit beschäftigen sollten, meint Prof. Klimek. Besteht aufgrund der Anamnese der Verdacht auf eine Pollinosis, fordert die GKV in der Regel zunächst einen Prick-Test.

Erst auf häufige Allergene testen, dann auf seltene

Um den Aufwand gering zu halten, empfiehlt der Allergologe seinen hausärztlichen Kollegen ein standardisiertes Vorgehen. Nach dem Motto „Häufiges ist häufig, Seltenes ist selten“ sollten sie sich eine Test­reihe zusammenstellen, die die in Deutschland vorherrschenden Inhalationsallergene abdeckt, darunter Birke, Lieschgras und Beifuß. Widersprechen sich die Anamnese und das Ergebnis aus dem Hauttest, kommen für eine spezielle Diagnostik inklusive Provokation fachärztliche Kollegen ins Spiel. Dies gilt v.a. für klinisch komplexe Situationen. Welche das sind, erläutert Prof. Klimek anhand von Fallbeispielen aus seiner eigenen Praxis.

Ob man einen Patienten zum Pneumologen, zum HNO-Arzt oder Dermatologen überweist, ist abhängig von der jeweiligen Leitsymptomatik. Für den vertrauensvollen kollegialen Austausch empfiehlt Prof. Klimek jedem Hausarzt den Aufbau eines Netzwerks vor Ort. Sache des Fachkollegen ist es zunächst, per spezifischer IgE-­Testung und ggf. nasaler Provokation die krankmachenden Allergene zu identifizieren. Neu ist zudem die moderne molekulare Komponententestung. Prof. Klimek erläutert, was es damit auf sich hat und welcher Stellenwert dieser Option aktuell zukommt.

Steht die Diagnose, darf man aus ethischen Gründen keinem Patienten eine Allergen­immuntherapie (AIT) vorenthalten, findet der ­Allergologe. Schließlich ist eine ­Allergie eine chronische Erkrankung, die sich unbehandelt auf andere Organsysteme ausweiten kann. Die AIT ist die einzige kausale, will heißen immunmodulierende Option. Mit diesem Verfahren könne man im besten Fall „aus einem Erkrankten einen wieder Immungesunden machen“. Zur Verfügung stehen subkutane und sublinguale Applikationsformen, dazu auch die Möglichkeit, lediglich präsaisonal zu behandeln. 

Doch egal, wie man nun vorgeht – die Therapie ist nach wie vor langwierig. Wie kann man die Patienten (und sich selbst als Arzt) bei der Stange halten? Prof. Klimek verrät im Podcast eine Reihe von Argumenten und (digitalen) Unterstützungsmöglichkeiten. 

Facharzt startet die Therapie, Hausarzt setzt sie fort

Allgemeinmediziner fordert er auf, ihr Repertoire um den Bereich Allergologie zu erweitern. Die Idee, dass hausärztliche Kollegen die AIT nach initialer Einstellung der Patienten beim Fachkollegen übernehmen und weiterführen, hält er grundsätzlich für ein zukunftsfähiges Modell. Was es dabei zu bedenken gibt und einiges andere mehr erfahren Sie in unserem aktuellen Podcast „Heuschnupfen in der Hausarztpraxis“. Hören Sie rein!

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Medical-Tribune-Bericht