Krebspatienten brauchen Bewegung – auch nach der Therapie
Jeder vierte Krebsüberlebende leidet unter Fatigue. Auch Lebensqualität und Fitness sind nach einer energieraubenden Tumortherapie oft eingeschränkt. Dazu kommt noch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, herzkrank zu werden oder vorzeitig zu sterben. All das sind Symptome und Risiken, für die bei Gesunden als gesichert gilt: Ein Mehr an Bewegung kann viel Positives bewirken. Krebspatienten riet man trotzdem jahrzehntelang davon ab, sportlich aktiv zu werden, schreiben Dr. Kristin L. Campbell von der Abteilung für Physiotherapie der University of British Columbia in Kanada und Kollegen.
Dreimal Konditionstraining pro Woche gegen Fatigue
Ein schlechter Tipp, wie schon 2010 Experten des American College of Sports Medicine im Rahmen eines Round Table feststellten: Denn Bewegung kann auch Menschen während und nach ihrer Tumorerkrankung helfen. Das einzige, was das Gremium damals schuldig blieb, waren konkretere Therapievorschläge für die behandelnden Ärzte. Es mangele noch an entsprechenden Studien, lautete die Begründung. Mithilfe eines zweiten Round Table und neuen wissenschaftlichen Arbeiten haben Dr. Campbell und Kollegen nun versucht, das nachzuholen.
Fatigue kann laut ihrer Einschätzung zum Beispiel durch ein mindestens zwölfwöchiges Programm mit drei Ausdauersport-Einheiten pro Woche signifikant reduziert werden. Vorausgesetzt, der Patient wird im Training moderat gefordert. Auch bei Depressionen und Angst profitieren Überlebende von einer solchen sportlichen Betätigung – einiges spricht sogar dafür, dass die Behandlung umso besser wirkt, je intensiver das Training ausfällt. Krafttraining, das die Sportmediziner in ihrer Leitlinie vom Ausdauersport unterscheiden, ist bei diesen Indikationen weniger effektiv.
Im Hinblick auf die Lebensqualität scheint es wiederum gerade die Kombination der beiden Trainingsformen zu sein, die am meisten zum Wohlbefinden der Überlebenden beiträgt. Letztendlich sei es in den Studien aber schwer zu unterscheiden, über welche Aspekte der Sport eigentlich genau die Lebensqualität beeinflusst, schreiben die Autoren.
Ebenfalls bewiesene positive Effekte hat der Sport auf die körperlichen Funktionen im Allgemeinen. Nicht ganz so überzeugend ist die Datenlage in Bezug auf die Zielgrößen Knochengesundheit und Schlaf. Hier sprechen die Fachleute nur von einer moderaten Evidenz. Studien mit Brust- und Prostatakrebspatienten deuten aber darauf hin, dass der Knochen durch eine Kombination aus Kraft- und sogenanntem High-Impact-Training an Stabilität gewinnt. Letzteres setzt das Skelett beispielsweise durch Sprünge erhöhten Belastungen aus. Im Hinblick auf den Schlaf ist die bekömmliche Wirkung von Ausdauersport bei Gesunden gut bewiesen.
Keine speziellen Ausschlusskriterien
Die Ergebnisse für Krebsüberlebende sind allerdings uneinheitlich. Dennoch empfiehlt das Gremium auch hier ein moderates Ausdauertraining, am besten drei- bis viermal wöchentlich über mindestens zwölf Wochen. Nur unzureichende Belege gefunden haben die Wissenschaftler in Hinblick auf chemotherapiebedingte Neuropathie, kognitive Funktion, Sturzneigung, Übelkeit, Schmerz, sexuelle Funktionsstörungen und Therapietoleranz – „was aber nicht ausschließt, dass die Betroffenen nicht in anderer Hinsicht von physikalischer Aktivität profitieren“, betonen sie gleichzeitig.
Dass Sport auch bei Krebs- und Ex-Krebspatienten als sicher und gut verträglich einzustufen ist, hatte schon die Vorgängerkommission vor neun Jahren verkündet. Daran hat sich laut den Nachfolgern wenig geändert. Allerdings müsse bei jedem Patienten stets individuell entschieden werden, welche Belastung man ihm abhängig von der aktuellen Befindlichkeit und der laufenden Therapie zutrauen möchte.
Eine spezielle Sporttauglichkeitsuntersuchung für Krebsüberlebende hält das Gremium jedoch nicht für notwendig. Sie könnte den einen oder anderen womöglich vom Training abhalten, heißt es. Auch eine Medical Clearance, eine ärztliche Sporterlaubnis speziell für Krebspatienten, hält man nicht generell für nötig. Für Krebsüberlebende gelten demnach dieselben Ausschlusskriterien wie für alle anderen Sportler. Ebenfalls für beide Gruppen gilt: Am erfolgreichsten trainiert es sich unter professioneller Anleitung.
Quelle: Campbell KL et al. Med Sci Sports Exerc 2019; 51: 2375-2390