Bewegung und Yoga Raus aus der Tumor-Fatigue
„Fatigue ist sicher das häufigste Symptom, von dem wir hören“, sagte Professor Dr. Anne Letsch vom Universitären Cancer Center Schleswig-Holstein in Kiel.1 Schwierig werde es, wenn sich die Erschöpfung chronifiziert. Dies komme bei etwa einem Drittel der Betroffenen vor, teilweise noch Jahre später.
In den Leitlinien der ESMO plädieren Ärzte dafür, jeden Tumorpatienten ab Zeitpunkt der Diagnose regelmäßig auf eine krebsbedingte Fatigue zu screenen. Am besten mithilfe einer Zehn-Punkte-Skala. „Ab einem Wert von Vier sollten dann alle ein fokussiertes diagnostisches Assessment erhalten“, beschrieb Prof. Letsch das weitere Vorgehen.
Dazu gehörten die Anamnese, ein individuelles Fatigue-Assessment sowie die Evaluation assoziierter Faktoren wie Schlafstörungen oder kognitive Effekte. Außerdem gilt es abzuklären, ob Komorbiditäten die Fatigue verantworten.
Medikamente helfen allenfalls kurzfristig
Ist eine Tumor-Fatigue wahrscheinlich, wird in den Leitlinien zu moderatem Ausdauer- und Krafttraining geraten, sofern keine Kachexie vorliegt. „Wir haben klare Daten, dass physische Aktivität die Fatigue und die Lebensqualität verbessern kann“, erklärte Prof. Letsch. Bei Medikamenten, Akupunktur und Nahrungsergänzungsmitteln sehe das Meinungsbild unheitlich oder ablehnend aus – ausgenommen der kurzzeitige Einsatz von Dexamethason oder Methylprednisolon bei Patienten mit Metastasen. Außerdem empfohlen: psychosoziale Interventionen wie Beratung, Selbsthilfegruppen, Psychoedukation, kognitive Verhaltenstherapie und die Mind-Body-Medizin.
Eine wichtige Komponente spiele Yoga. „Bei uns gehört es im Klinikalltag einfach dazu“, sagte Dr. phil. Elisabeth Jentschke vom Uniklinikum Würzburg.2 Yoga verbinde Bewegung, Entspannung und Atmung. Letztere werde gerade bei Rezidiv- und Progressionsangst sehr beeinträchtigt, eine achtwöchige achtsamkeitsbasierte Yogatherapie könne diese Ängste signifikant reduzieren, fasste die Psychoonkologin eigene Forschungsergebnisse zusammen.
Hinsichtlich der Fatigue sei es wichtig, dass Patienten den Negativkreislauf aus Rückzug, Mangel an positiven Erlebnissen und Zunahme der Beschwerden erkennen. Dr. Jentschkes Erfahrung nach teilen die Betroffenen ihre Kräfte zudem häufig schlecht ein. „Sie verbrauchen am Vormittag alles und haben dann nachmittags, wenn die Familie zusammenkommt, keine Energie mehr“, so die Referentin.
Auch psychoedukativ könne man erreichen, dass sich die körperliche Fatigue-Symptomatik minimiert, wodurch es den Patienten zugleich emotional besser geht. Ergänzend lernen sie in der kognitiven Verhaltenstherapie, ihre Gedanken zu hinterfragen und sich von ungünstigen Denkmustern zu lösen.
1. Letsch A. AGSMO-Jahreskongress 2021 (virtuell); Fatigue
2. Jentschke E. A. a. O.; Ressourcenoptimierung und Resilienzförderung aus dem Bereich der Psychoonkologie
Quelle: AGSMO-Jahreskongress 2021 (virtuell)