Lungenkrebs: Radon als Risikofaktor des Nichtrauchers
Etwa 15–25 % der Lungenkrebsfälle treten bei Nichtrauchern auf. In dieser Gruppe spielt die Radonexposition eine führende Rolle als Risikofaktor. Zwischen der Stärke der Exposition und dem Krebsrisiko besteht offenbar eine Dosis-Wirkungs-Beziehung. Eng mit Lungenkrebs assoziiert ist vor allem das Isotop Radon-222.
Radon kommt natürlich in der Erdkruste vor, es kann durch den Boden diffundieren und sammelt sich im Luftraum von vor allem abgeschlossenen und schlecht belüfteten Bereichen an, z.B. Bergwerken.
Man nimmt an, dass sich Radon-Abbauprodukte im Bronchialsystem ablagern und dort radioaktive Partikel abgeben, die die Karzinogenese stimulieren. Die Radonexposition könnte auch die Expression von EGFR-Mutationen und ALK-Translokationen stimulieren.
Ergebnisse bei Minenarbeitern nicht allgemeingültig
Die Auswirkungen einer starken Radonexposition sind in zahlreichen Studien bei Minenarbeitern untersucht worden. Doch diese Ergebnisse lassen sich nicht ohne weiteres auf die Allgemeinbevölkerung extrapolieren, weil die Populationen verschieden sind, die Radonkonzentration in den Minen viel höher liegt und die Luft dort auch noch weitere Karzinogene enthält.
Elvin Cheng vom Cancer Council in Sydney und Kollegen haben kürzlich eine erste Metaanalyse durchgeführt, in der die Assoziation zwischen Radonexposition in normaler Umgebung und Lungenkrebsrisiko bei Menschen, die noch nie geraucht haben, quantifiziert wurde. Die Analyse basierte auf vier gepoolten Studien und schloss 2341 gegenüber Radon exponierte Niemalsraucher, 9937 exponierte Raucher sowie nicht-exponierte Kontrollkollektive für beide Gruppen ein.
Attributables Risiko für Lungenkrebs von 15 %
Pro 100 Bq x m3 Radonstrahlung wurde für die Niemalsraucher ein attributables Risiko für Lungenkrebs von 15 % und für die Raucher von 9 % errechnet. Dieser Unterschied war nicht statistisch signifikant. Das Ergebnis spricht für einen synergistischen Effekt beider Risikofaktoren auf das Lungenkrebsrisiko. Unter den Niemalsrauchern war das der Radonexposition zuschreibbare Risiko für Männer mit 46 % signifikant höher als das für Frauen mit 9 %. Eine Konsequenz aus diesen Daten sollte sein, die Radonexposition bei der Beurteilung des Lungenkrebsrisikos stärker zu berücksichtigen.
Die WHO hat als „Aktionsschwelle“, oberhalb derer Maßnahmen zur Senkung der Radonkonzentration notwendig werden, 100 Bq x m3 definiert. Diese Schwelle erscheint den Autoren geeigneter als die 148 Bq x m3, die die amerikanische Umweltschutzbehörde festgesetzt hat, oder gar der Wert von 300 Bq x m3, der in der EU gilt.
Quelle: Cheng ES et al. Eur Respir Rev 2021; 30: 200230; DOI: 10.1183/16000617.0230-2020