Feinstaub-Debatte: Positionspapier einiger Pneumologen sorgt für Aufruhr an der Umweltfront
Unsere Luft wird jedes Jahr sauberer
Die Diskussion ist verlogen
Geld in Studien statt in Betrugssoftware stecken
Pressemitteilung des Vorstandes der Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie e.V. (GPP e.V.)
- Die Lungenfachärzte für Kinder und Jugendliche weisen ausdrücklich auf die in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten dokumentierten gesundheitsschädigenden Auswirkungen von Luftschadstoffen hin. Der Vorstand der GPP unterstützt die Grenzwert-Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO. Diese Grenzwerte sind von internationalen Expertenteams auf Basis der weltweit verfügbaren Literatur zu den Auswirkungen von Luftschadstoffen auf die Gesundheit festgelegt worden.
- Neben kurzfristigen und langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen von Luftschadstoffen ist die Gesundheitsfürsorge für besonders gefährdete Gruppen ein wichtiger Aspekt bei der Risikobewertung. Hierzu zählen u.a. Kinder und Jugendliche, schwangere Frauen, ältere Menschen sowie Patienten aller Altersgruppen mit chronischen Lungenerkrankungen. In der aktuellen Debatte wird die Schutzwürdigkeit dieser besonders gefährdeten Gruppen häufig nicht erwähnt. Damit wird das Prinzip der Schadensvermeidung als Kernelement ärztlicher Handlungsethik ignoriert.
- Der Vorstand der GPP unterstützt die Position und die inhaltlichen Stellungnahmen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der European Respiratory Society (ERS), des internationalen Forums der pneumologischen Fachgesellschaften (FIRS) und der World Health Organisation (WHO), die übereinstimmend auf die gesundheitlichen Gefahren einer erhöhten Exposition mit Luftschadstoffen hinweisen.
- Als Wissenschaftler stehen wir in der Pflicht, unsere Erkenntnisse zu hinterfragen, unsere Ergebnisse kritisch zu diskutieren und unsere Methoden des Erkenntnisgewinns kontinuierlich zu verbessern. Wissenschaftlicher Diskurs und Selbstkritik sind Kernelemente einer freien und pluralistischen Wissenschaftskultur. Wissenschaftliche Aussagen pauschal in Frage zu stellen, ohne hierfür Belege anzuführen, ist unseriös. Wer öffentlichen Zweifel an dem gesundheitsschädlichen Potential von Luftschadstoffen sät, ohne hierfür wissenschaftliche Arbeiten zu zitieren, verletzt die Grundsätze ärztlich-wissenschaftlichen Handelns. Von dieser Form der öffentlichen Meinungsäußerung distanziert sich der Vorstand der Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie ausdrücklich.
Die Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie (GPP e.V.) ist eine wissenschaftliche Fachgesellschaft, die über 900 kinderpneumologisch tätige Ärztinnen und Ärzte in Deutschland, Österreich und der Schweiz vertritt. Die GPP ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF).
Der Vorstand der GPP hat die obige Erklärung einstimmig verabschiedet. Dem Vorstand der GPP gehören folgende Personen an:
Prof. Dr. med. Matthias Kopp, Lübeck (Präsident)
Prof. Dr. med. Philippe Stock, Hamburg (stellvertretender Präsident)
Prof. Dr. med. Antje Schuster, Düsseldorf (Past Präsidentin)
Priv.-Doz. Dr. med. Michael Barker, Berlin
Dr. med. Nicolaus Schwerk, Hannover
Priv. Doz. Dr. med. Tobias Ankermann, Kiel
Prof. Dr. med. Ernst Eber, Graz
Prof. Dr. med. Jürg Hammer, Basel
Prof. Dr. med. Gesine Hansen, Hannover
Dr. med. Uwe Klettke, Berlin
Prof. Dr. med. Philipp Latzin, Bern
Prof. Dr. med. Jürgen Seidenberg, Oldenburg
Pressemitteilung der DZL zu Luftschadstoffen: 8 Fakten
- Der gegenwärtig intensiv diskutierte Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid je Kubikmeter Luft beruht vor allem auf epidemiologischen Studien. Zum Verständnis: Epidemiologie ist eine ausgewiesene wissenschaftliche Fachrichtung, welche als eines ihrer wesentlichen Ziele verfolgt, Langzeitrisiken von Umwelt- und Lebensstilfaktoren für die Bevölkerung zu erkennen und in ihrer Bedeutung abzuschätzen. Große Beobachtungszahlen, verschiedenartige Beobachtungssituationen und komplexe mathematische Modelle, unterstützt durch toxikologische Studien, werden eingesetzt, um ursächliche Zusammenhänge von zufälligem Zusammentreffen von Ereignissen zu unterscheiden.
- Zahlreiche Fragestellungen können nur mit den Methoden der Epidemiologie beantwortet werden, da niemand Menschen über Jahre und Jahrzehnte einem „kontrollierten Versuch“ mit Schadstoffexposition aussetzen würde. So stammt z. B. die von niemandem mehr hinterfragte Erkenntnis, dass Rauchen gesundheitsschädigend ist, aus epidemiologischen Untersuchungen.
- Es besteht wissenschaftlich kein Zweifel, dass die Belastung mit Luftschadstoffen eine Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung darstellt, nicht nur hinsichtlich Atemwegs- und Lungenerkrankungen, sondern beispielsweise auch im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
- Es gibt jedoch keine Methode, die es einem Arzt ermöglichen würde, an einem lungenerkrankten Patienten festzustellen, inwieweit Komponenten der Luftverschmutzung zu der Erkrankung beigetragen haben.
- Ausgewählte Experten der unterschiedlichsten Fachrichtungen bewerten in regelmäßigen Abständen den aktuellen Wissensstand in einem internationalen Gremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die von der WHO auf dieser Basis empfohlenen Richtwerte für die einzelnen Luftschadstoffe haben das Ziel, das Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung so weit wie möglich zu minimieren. Die wissenschaftliche Kompetenz des an der WHO angesiedelten hochkarätig besetzten internationalen Bewertungsgremiums steht außer Frage.
- Für Stickstoffdioxid, welches gleichzeitig Indikator für weitere Luftverschmutzungskomponenten ist, beträgt dieser Richtwert zurzeit 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft. Ein solcher Wert muss auch für besonders empfindliche Menschen (u. a. Kinder, ältere Menschen, Patienten mit Lungen- und Herzerkrankungen) im Bereich des Zumutbaren liegen, da sich der Einatmung der Umgebungsluft – 24 Stunden pro Tag – niemand entziehen kann. Dem DZL liegen keinerlei belastbare neue Erkenntnisse vor, die dazu Anlass geben würden, diesen Richtwert gegenwärtig nach oben zu korrigieren.
- Der in Deutschland geltende Grenzwert orientiert sich an den Richtwert-Empfehlungen der WHO, berücksichtigen aber auch zusätzliche Faktoren, wie z. B. die technische Realisierbarkeit. Es ist zudem eine politische Entscheidung, welche Maßnahmen in welchem Umfang und in welcher zeitlichen Abfolge ergriffen werden, um regionalen Überschreitungen der Grenzwerte zu begegnen. Selbstverständlich muss hierbei die Verhältnismäßigkeit der Mittel im Auge behalten werden.
- In der gegenwärtigen Stickoxiddiskussion erfuhren wissenschaftspopulistische Aussagen eine rasante mediale Aufwertung. Das „klassische“ Reaktionsmuster der Wissenschaft, Bevölkerung und Entscheidungsträgern wohlüberlegte und ausgewogene Stellungnahmen in ausgesuchten Publikationsorganen anzubieten, geriet demgegenüber vollkommen ins Hintertreffen. Es wird zu überlegen sein, wie die betroffenen Wissenschaftsorganisationen diesem Phänomen in Zukunft besser vorbereitet begegnen können, da politische Entscheidungen auf dem Boden solider wissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen werden sollten.
Prof. Dr. Werner Seeger (Vorsitzender und Sprecher) für den Vorstand des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL)