Luftverschmutzung soll das Risiko für Psychosen bei Jugendlichen erhöhen
Ist es die Vereinsamung und Anonymität in der Stadt? Oder die Angst vor Kriminalität? Fehlen den Städtern vielleicht Grünflächen für Spiel und Erholung? All dem ist man schon nachgegangen, um zu klären, warum Stadtmenschen eher Psychosen entwickeln als Leute vom Lande.
Einen möglichen Faktor hätte man bisher aber außer Acht gelassen, bemängelt Dr. Joanne B. Newbury vom Institut für Psychiatrie des King’s College London: Stadtbewohner sind einer höheren Luftverschmutzung ausgesetzt. Zusammen mit Kollegen hat die Wissenschaftlerin nun die Daten der britischen Environmental-Risk Longitudinal Twin Study neu ausgewertet.
Beeinträchtigung der Blut-Hirn-Schranke denkbar
Diese Untersuchung hatte 2232 Kinder von der Geburt bis zu ihrem 18. Lebensjahr beobachtet. Am Ende der Studie sollten die Teilnehmer auch Auskunft über psychotische Erfahrungen geben. Einbezogen in die Auswertung wurden zudem Daten zur Luftverschmutzung am Wohnort der Teilnehmer sowie von zwei weiteren Orten, an denen sie sich viel aufgehalten hatten.
Das Viertel der Jugendlichen, die den meisten Schadstoffen ausgesetzt gewesen waren, berichtete signifikant häufiger über psychotische Erlebnisse. Im Vergleich zu den Teilnehmern, die saubere Luft eingeatmet hatten, trieben hohe Stickstoffdioxid- und Stickoxidwerte die Wahrscheinlichkeit für eine Psychose um 71 % bzw. 72 % nach oben. Beim Feinstaub mit einer Partikelgröße unter 2,5 µm waren es 45 %.
Verfälschende Faktoren sind kaum rauszurechnen
Möglicherweise, so erklären sich die Autoren ihre Ergebnisse, gibt es einen Zusammenhang zwischen der schmutzigen Luft und einer gestörten Blut-Hirn-Schranke. Damit bestünde die Möglichkeit, dass die Schadstoffe direkt auf das Gehirn wirken. Denkbar wäre auch eine gesteigerte Neuroinflammation.
Andere Wissenschaftler bewerten die Ergebnisse der britischen Studie jedoch kritisch. So gibt Dr. Marianthi-Anna Kioumourtzoglou von der New Yorker Columbia Universität in einem begleitenden Editorial zu bedenken, dass sich kaum alle verfälschenden Einflüsse, die ein urbaner Lebenstil mit sich bringt, aus solchen Auswertungen herausrechnen lassen.
Quellen:
1. Newbury JB et al. JAMA Psychiatry 2019; online first
2. Kioumourtzoglou M-A. A.a.O.