Feinstaubexposition Diabetes liegt in der Luft

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Feinstaub in der Luft reduziert die Lebenserwartung. Feinstaub in der Luft reduziert die Lebenserwartung. © spiritofamerica – stock.adobe.com

Weltweit wird wahrscheinlich jeder fünfte Typ-2-Diabetes durch Luftverschmutzung ausgelöst. Von besonderer Bedeutung ist offenbar die chronische Feinstaubbelastung. 

Eine der ersten Studien zum Zusammenhang zwischen der Inhalation von Staubteilchen und Diabetes wurde bei 1,7 Mio. stoffwechselgesunden US-Veteranen durchgeführt. Ein Anstieg um 10 µg/m3 in der langfristigen Feinstaubbelastung (PM2,5) war mit einem um 15 % erhöhten Risiko für die Stoffwechselerkrankung assoziiert. Diese Differenz blieb auch nach der Adjustierung auf diverse Einflussfaktoren bestehen. 

Anhand der Luftbelastung in den USA lassen sich die absoluten Zahlen pro Jahr abschätzen, schreibt die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Sanjay Rajagopalan von den University Hospitals in Cleveland. Das Ergebnis: 3,2 Mio. Diabeteserkrankungen und mehr als 206.000 Todesfälle durch Diabetes. Demnach ist selbst eine relativ geringe Luftverunreinigung (und Tabakrauch) aus kardiometabolischer Perspektive gefährlich. Besonders betroffen sind Männer, sozial Benachteiligte und Menschen mit Komorbidität.

Schon eine kurze Exposition wirkt sich negativ aus

Bereits eine kurzzeitige Exposition (Stunden bis Tage) mit Feinstaub erhöht Studien zufolge das Risiko für eine Insulinresistenz, einen prädisponierenden Faktor für den Typ-2-Diabetes. Dieser Zusammenhang lässt sich auch für den Kontakt mit Autoabgasen wie NO2 nachweisen. 

Eine gepoolte Analyse zur Schadstoffbelastung im Kindesalter ermittelte eine Assoziation von Luftverschmutzung mit erhöhtem BMI und Adipositas. Eine andere Arbeit zeigte einen solchen Zusammenhang auch bei US-Veteranen. Wahrscheinlich wird zudem die Lebenserwartung gemindert: Eine Krebspräventionsstudie kommt zu dem Ergebnis, dass ein Anstieg der Feinstaubexposition um 10 µg/m3 die diabetesbedingte Mortalität um 18 % steigert.

Die mögliche Verbindung zwischen Feinstaubinhalation und kardiovaskulären Erkrankungen wurde vielfach untersucht. In einer populationsbasierten kanadischen Kohorte war die Assoziation zwischen Herz-Kreislauf-Mortalität und Inhalation kleiner Schadstoffpartikel bei Diabetikern stärker ausgeprägt als bei Stoffwechselgesunden (Hazard Ratio HR 1,51 bzw. 1,20 pro 10 µg/m3 PM2,5). Das spricht für eine erhöhte Vulnerabilität. 

Drei Partikelgrößen

  • grob > 2,5–10 µm (PM10)
  • fein ≥ 0,1–2,5 µm (PM2,5)
  • ultrafein < 0,1 µm (PM0,1)

Zusammenhang auch mit Nierenerkrankungen

Andere Organe werden ebenfalls geschädigt: So geht die Inhalation von Feinstaub mit einem erhöhten Risiko für chronische Nierenerkrankungen einher – bei Menschen mit und ohne Zuckerkrankheit. Forscher fanden eine lineare Assoziation zwischen langfristiger PM2,5-Exposition, renaler Störung und Progredienz zur terminalen Insuffizienz. In einer Untersuchung mit 2,4 Mio. US-Veteranen und 8,5 Jahren Follow-up begünstigte bereits ein dauerhafter PM2,5-Anstieg um 10 µg/m3 die Entwicklung von Diabetes und chronischer Nierenerkrankung

Ein Zusammenhang zwischen Feinstaub in der Atemluft und diabetischer Retinopathie besteht ebenfalls. In einer Studie aus Taiwan mit 579 Patienten und neu diagnostizierter metabolischer Erkrankung ging ein Zuwachs um 10 µg/m3 PM2,5 mit einer Erhöhung des Risikos für Netzhautschäden um 29 % einher, beim Grobstaub waren es sogar plus 37 %. 

Zudem wurde inzwischen eine Assoziation zwischen Feinstaub und nicht-alkoholischer Fettlebererkrankung ermittelt. In einer landesweiten Querschnittsstudie aus den USA mit 269.705 Betroffenen war die Wahrscheinlichkeit für die hepatische Störung pro PM2,5-Anstieg um 10 µg/m3 um 24 % erhöht. Ein vergleichbarer Effekt wird aus China berichtet. 

Auch das Risiko für einen Gestationsdiabetes scheint durch Kontakt mit den Partikeln zu steigen, wie eine Metaanalyse ergab. Für die gesamte Schwangerschaft verstärkte sich das relative Risiko um 7 %. Keine signifikante Assoziation ließ sich mit der präkonzeptionellen Exposition nachweisen.

Rajagopalan S et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2024; 12: 196-208; DOI: 10.1016/S2213-8587(23)00361-3