Umweltchemikalien beeinflussen Schilddrüsenhormonachse
Die traurige Realität: Von den 350 000 Chemikalien, die im Handel erhältlich sind, werden weltweit nur 40 reguliert. Das bedeutet keinesfalls, dass die übrigen Substanzen allesamt unbedenklich sind, stellte Professor Dr. Josef Köhrle vom Institut für Experimentelle Endokrinologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin klar.
Eher das Gegenteil ist der Fall, so der Referent: Etwa 40 % der in Europa zugelassenen Pestizide beeinflussen bekanntermaßen die Schilddrüsenhormonachse. Eine Untersuchung von 278 aktiven chemischen Substanzen durch die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA*) hat bei 113 der Stoffe einen disruptiven Effekt auf die Funktion der Schildrüsenhormone gezeigt. Einige seltene Krebsarten, vor allem bei Kindern, werden mit ihnen in Verbindung gebracht, aber gestörte Reproduktionsfähigkeit, Osteoporose und Hypertonie sowie Schilddrüsenerkrankungen, Adipositas und Diabetes.
Echte Kontrollgruppen lassen sich kaum bilden
Die endokrinen Disruptoren finden sich beileibe nicht nur in Pestiziden und Industrieabfällen. Auch mit Plastikverpackungen, Möbeln, Kleidung und Kinderspielzeug, mit Kosmetika, in Form von Lebensmittelfarben und in medizinischem Material gelangen sie in die Umwelt. Vielfältige Effekte auf die Schilddrüsenhormonachse sind inzwischen beschrieben, sowohl in Tierexperimenten als auch in Assoziationsstudien nach unfreiwilligem Kontakt oder mit exponierten Subgruppen. Echte Kontrollgruppen lassen sich aber kaum bilden, merkte der Endokrinologe an, da wir alle mehr oder weniger mit den Substanzen belastet sind.
Wohlbekannte Verdächtige
* European Food Safety Authority
Quelle: 64. Deutscher Kongress für Endokrinologie (Online-Veranstaltung)