Medizinische Blutegel lindern den Arthroseschmerz
Schon im alten Ägypten gehörten Blutegel ins medizinische Repertoire, womit die Behandlung mit den Blutsaugern zu den ältesten Therapien überhaupt zählt. Intensiv beforscht wird Hirudo medicinalis aber erst seit etwas mehr als 120 Jahren.
Bisweilen konnten Wissenschaftler mehr als 100 Substanzen im Speichel der Tiere ausmachen, denen gerinnungs-, schmerz- und entzündungshemmende Eigenschaften zugeschrieben werden. Die Effekte beruhen wohl auf dem synergistischen Zusammenspiel der enthaltenen Wirkstoffe, erklären Professor Dr. Gustav Dobos und Dr. Thomas Rampp von der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin, Evangelische Kliniken Essen-Mitte. Eine histaminartige Substanz weitet die Gefäße und vergrößert lokal die Blutmenge, der sogenannte „Spreading“-Faktor Hyaluronidase im Blutegelspeichel fördert das Eindringen der pharmakologisch aktiven Stoffe ins Gewebe.
Am besten untersucht sind die Effekte der Blutegeltherapie bei der symptomatischen Gonarthrose. In einer kontrollierten, nicht-randomisierten Pilotstudie mit 16 Betroffenen reduzierte sich das Schmerzniveau der Teilnehmer nach Ansetzen von vier bis fünf Egeln rund ums Kniegelenk binnen drei Tagen um etwa 60 % – ein signifikanter Unterschied zur Wirkung der Standardbehandlung. Bestätigt werden konnte dies in zwei randomisiert-kontrollierten Untersuchungen mit 51 bzw. 52 Gonarthrosepatienten. Bei mehr als zwei Dritteln von ihnen hielt die Wirkung länger als drei Monate an, teilweise sogar über zehn Monate.
Gute Erfahrungen mit Blutegeln wurden außerdem in der Behandlung von Arthrosen der peripheren Gelenke von Fingern und Zehen gesammelt. Es sollte laut den Autoren unbedingt darauf geachtet werden, die Tiere nur an gut durchbluteten Stellen anzusetzen. Weitere Indikationen seien z.B.
- Daumensattelgelenksarthrose,
- chronischer Tennisarm,
- schmerzhafte Myogelosen des Rückens,
- LWS-, HWS- und ISG-Syndrome,
- Weichteilrheuma.
Ergänzend zur jeweiligen Standardtherapie verwenden manche Ärzte Blutegel sogar bei Tinnitus, Otitis media, Abszessen und Wundheilungsstörungen. Sehr adipöse Patienten mit Hüftgelenksarthrosen sprechen allerdings kaum auf die Behandlung an. Vermutlich, weil die Wirkstoffe nicht die Zielstrukturen erreichen. Auch für die rheumatoide Arthritis gibt es keine allgemeine Empfehlung.
Hier sind die Egel fehl am Platz
- medikamentöse Antikoagulation z.B. mit Heparin oder Warfarin,
- Immunsuppression,
- Anämie,
- akute Infektionen,
- Schwangerschaft,
- ausgeprägte allergische Disposition. Bei Diabetes mellitus sollte der Nutzen gegenüber möglichen Komplikationen wie Wundheilungsstörungen der Bisswunden abgewogen werden.
Teures Vergnügen
Quelle: Dobos G, Rampp T. internistische praxis 2020; 62: 687-698