Alzheimer Mit Wearables und Telemedizin zur Frühdiagnose
„Wearables“ sollen künftig dabei helfen, den Verlauf einer Demenz im Frühstadium noch besser zu verstehen. Federführend bei der Entwicklung und Erprobung von Smartwatches mit Praxistools für kognitive Tests ist das Deutsche Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Kooperation mit dem Deutschen Netzwerk für Gedächtnisambulanzen (DNG).
Eine wichtige Grundlage für die Forschung hat DELCODE geliefert, eine multizentrische Beobachtungsstudie mit mehr als 1.000 Teilnehmern. Darunter waren Personen mit subjektiven kognitiven Defiziten oder geringfügigen kognitiven Einschränkungen (MCI), Patienten mit manifester Alzheimerdemenz sowie Angehörige und Kontrollpersonen. Im Verlauf von bisher sechs Jahren und anhand jährlicher Untersuchungen wurden Daten zum Verlauf einer Demenz generiert – vom präklinischen Stadium über die erste Dekompensation (Stadium 2), fortschreitende MCI (Stadium 3) bis hin zur manifesten Demenz (Stadium 4). Ab dem Stadium 2 können in der Regel auch Biomarker wie Amyloidprotein als Hinweise für die Erkrankung gemessen werden, berichtete Professor Dr. Frank Jessen, Psychiater aus Köln.
Alle zwei Wochen erfolgt ein 15-Minuten-Test
Aktuell werden bei einem DZNE-Projekt an der Universität Magdeburg smartphonebasierte Gedächtnistests zur regelmäßigen Anwendung zu Hause erprobt. Jeder Test, zum Beispiel zur Wiedererkennung von Gegenständen in Räumen, dauere nur etwa 15 Minuten und soll einmal alle 14 Tage eingesetzt werden, berichtete Dr. David Berron aus Magdeburg. In einer Validierung bei Teilnehmern der DELCODE-Studie korrelierten die Testergebnisse gut mit dem PACC*-5-Score und dem Abfall der kognitiven Leistungen über die Zeit. Auch mit den Ergebnissen aufwendiger klinischer Gedächtnisuntersuchungen bei Teilnehmern der schwedischen BIOFINDER-Studie korrelierten die Smartphone-Tests gut.
In der US-amerikanischen ARC-Studie mit 307 Teilnehmern, im Mittel 77 Jahre alt, konnten Forscher zudem Übereinstimmungen von smartphonebasierten Gedächtnistests mit Biomarkern einer Alzheimererkrankung dokumentieren. Die meisten Tests dauerten nur 20–60 Sekunden und wurden von den Studienteilnehmern akzeptiert, berichtete Professor Dr. Jason Hassenstab aus Saint Louis. Die Technikfeindlichkeit von Senioren sei ein Mythos, sagte er. Gerade in Zeiten der COVID-19-Pandemie sei der Anteil der MCI- und Demenzpatienten, die an Videokonferenzen und webbasierten Tests teilgenommen hätten, deutlich gestiegen.
Getestet werden „Wearables“ auch, um Demenzpatienten im Alltag Hilfestellungen bieten zu können. An der Universität Rostock validiert man derzeit smartphonebasierte Tests zur sensorbasierten Verhaltensbeobachtung und -steuerung. „Wir sind derzeit noch in der empirischen Phase“, berichtete Professor Dr. Stefan Teipel aus Rostock. Aktuell werden vor allem die Bedürfnisse von MCI- und Alzheimer-Patienten bei Orientierungsaufgaben oder beim Essen per Videokamera aufgezeichnet und analysiert, außerdem Vitalzeichen gemessen. Ziel ist es, bei Bedarf telemedizinische Instruktionen aufs Handy zu schicken, um Patienten bei Alltagstätigkeiten zu unterstützen.
Bis zum Einsatz digitaler Anwendungen für neuropsychiatrische Tests in der Praxis müssten allerdings noch viele offene Fragen geklärt werden, gab Professor Dr. Michael Wagner aus Bonn zu bedenken. Unklar sei etwa, ob und wie stark die Motivation der Patienten die Testergebnisse bei der Benutzung von Smartphone-Apps beeinflusse und wie mit uneinheitlichen Ergebnissen umgegangen werden sollte. Die wichtigste Frage ist bisher unbeantwortet: Wie ist eine Früherkennung ethisch zu bewerten, solange es keine wirksamen Interventionsmöglichkeiten gibt?
* preclinical Alzheimer‘s cognitive composite
Quelle: Online-Symposium der DNG/DZNE