Digitale Interventionen Robboter für Demenzpatienten
Nicht-pharmakologische und psychosoziale Verfahren sind aus der Versorgung von Menschen mit Demenz nicht mehr wegzudenken. Das A und O bleibt dabei die gute zwischenmenschliche Beziehung des Patienten zu Ärzten und Ärztinnen, zum Therapeutenteam und Pflegepersonal sowie zu den Angehörigen, schreiben Dr. Arthur Schall vom Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main und seine zwei Kollegen.
Vor diesem Hintergrund sehen die drei Altersmediziner die digitalen Technologien, die in den letzten Jahren in die Behandlung von Menschen mit Demenz Einzug gehalten haben, keinesfalls als Ersatz etablierter Verfahren, sondern vielmehr als bereichernde Ergänzung. Zu den nicht-pharmakologischen Maßnahmen zählen im Wesentlichen:
- Aktivieren kognitiver Fähigkeiten
- Sport und Bewegung
- künstlerische, musische und kreative Tätigkeiten
Ziel der Therapie müsse stets sein, die Erkrankten in der eigenständigen Lebensführung und dem Aufrechterhalten ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Teilhabe zu unterstützen. Letzten Endes würden davon auch Angehörige, Betreuer und Pflegekräfte profitieren.
Kognitive Verfahren
Bei Menschen mit leichter bis moderater Demenz lassen sich Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Sprachvermögen mit passenden Übungen trainieren. Die Wirksamkeit sowohl der etablierten konventionellen Methoden als auch der zahllosen neueren digitalen Gedächtnistrainings und Gehirnjogging-Spiele ist aber oft nur ungenügend belegt, schränken die Ärzte ein. Insbesondere für eine lang anhaltende Verbesserung von Alltagskompetenzen würden Nachweise weitgehend fehlen.
Die drei Autoren verweisen in diesem Zusammenhang auf die S3-Leitlinie Demenzen, in der kognitiv-stimulierende Freizeitaktivitäten wie Musizieren oder Malen, Schach spielen, eine Fremdsprache erlernen oder Museumsbesuche empfohlen werden. Auch produktive Tätigkeiten kommen infrage, etwa Hand- und Werkarbeiten, Kochen oder Gärtnern. Dabei sollten persönliche Vorlieben, frühere Kompetenzen und vormals ausgeübte Hobbys berücksichtigt werden, um den Kranken biografisch bedeutsame und emotional anregende Erfahrungen zu ermöglichen.
Relativ neu ist der Einsatz von Virtual-Reality-Technologien (VR) und Videospielen bei älteren Menschen mit körperlichen und psychischen Einschränkungen. Die Experten berichten vom Projekt Virtual Reality und Demenz der Seniorenberatung Hannover, bei dem bei stationär versorgten Menschen mit Demenz versucht wird, über VR-Brillen Erinnerungen zu aktivieren.
Als Beispiel für die Demenzprävention mittels therapeutischem Gaming führen sie die MemoreBox an. Über diese Spielkonsole lassen sich verschiedene alltagsnahe Trainingsprogramme per Gestik und Bewegungen steuern, etwa Kegeln, Tanzen oder Motorrad fahren.
Körperliche Aktivität
Erwiesenermaßen bessert regelmäßige moderate Bewegung bei Menschen mit demenzieller Erkrankung Schlafqualität und psychische Befindlichkeit sowie kognitive und motorische Funktionalität. Grundsätzlich zu empfehlen ist Walking, Gymnastik oder Yoga, angepasst an die individuellen Belastungsgrenzen und das physische Funktionsniveau des Patienten.
Als „zukunftsweisendes digitales Konzept speziell für Menschen mit Demenz“ heben Dr. Schall und Kollegen die Webseite Bewegung-bei-Demenz.de hervor, die vom Geriatrischen Zentrum am Agaplesion Bethanien-Krankenhaus in Heidelberg betrieben wird. Schwerpunkt der Übungen ist das gezielte Training alltagsrelevanter motorischer Fähigkeiten.
Mobilitätsanalyse per App
Eine effektive Sturzprävention verspricht die Lindera SturzApp. Auf Grundlage eines kurzen Videos, das mit dem Smartphone oder Tablet aufgenommen wird, und eines Fragebogens ermittelt ein Algorithmus das individuelle Sturzrisiko des Patienten und gibt personalisierte Empfehlungen zur Prävention. Ersten Daten zufolge soll die App die Wahrscheinlichkeit für Stürze und die Sturzangst tatsächlich deutlich senken.
Kunstbasierte Therapien
Künstlerisch-kreative Ansätze zur Behandlung Demenzkranker umfassen Musik-, Theater- und Tanztherapie. Im weitesten Sinne gehören auch kreatives Schreiben und das Erzählen von Märchen dazu. Vor allem Musik zeigt belegbare, positive Effekte und ist in der S3-Leitlinie Demenzen mit einem Empfehlungsgrad versehen. Zentrale Wirkfaktoren sind die Visualisierung und Verarbeitung von Emotionen, die biografische Arbeit und die Aktivierung von Ressourcen, so die Experten.
Neuere Studien zeigen auch für andere kreativtherapeutische Verfahren gute Effekte. So konnten Dr. Schall und Kollegen im Forschungsprojekt ARTEMIS, das sie gemeinsam mit dem Frankfurter Städel Museum durchführten, zeigen, dass eigens für diese Gruppen konzipierte Kunstführungen mit anschließender Atelierarbeit das emotionale Wohlbefinden und die Lebensqualität demenzkranker Menschen besserten.
Auch Angehörige, die am Projekt teilnahmen, profitierten. Derzeit wird an einer Digitalversion von ARTEMIS gearbeitet. Damit will man Patienten erreichen, deren Mobilität eingeschränkt ist oder die kein Museum in der näheren Umgebung haben.
Quelle: Schall A et al. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 165-171; DOI: 10.1055/a-1542-6174