Nach einem Giftschlangenbiss die Wunde keinesfalls aussaugen und abbinden!
Ein steriles Skalpell legt sich der 54-Jährige immer dazu, wenn er die Terrarien seiner Klapperschlangen reinigt. Der erfahrene Halter kennt die Gefahren und glaubt zu wissen, wie er im Notfall reagieren muss. Als ihn eine seiner Liebsten in die Endphalanx des linken kleinen Fingers beißt, verfärbt sich die Stelle innerhalb weniger Minuten tiefblauviolett und vergrößert sich um das Dreifache.
Der Mann schneidet die Wunde ein und entfernt mit einer Taschenpumpe so viel Gift wie möglich. Anschließend kühlt er den Bereich und hält ihn ruhig. Trotzdem breitet sich die schmerzhafte Schwellung bis hin zur Schulter aus.
Bisse von Klapperschlangen kommen hierzulande zunehmend häufiger vor, genaue Zahlen gibt es jedoch nicht. Weil immer mehr Menschen exotische Tiere züchten, rät Dr. Andreas Montag aus der Hamburger Praxis für Dermatologie und Venerologie dazu, sich mit der Erstversorgung von Bissunfällen vertraut zu machen.
Panik wirkt sich negativ auf den Verlauf aus
„Zumindest die Telefonnummer der örtlichen Giftnotrufzentrale sollten Sie kennen.“ Aktuelle Leitlinien raten strikt davon ab, dem Beispiel des 54-Jährigen zu folgen. Die Wunde einfach einzuschneiden und mit einer handelsüblichen Taschenpumpe auszusaugen, sieht der Dermatologe als zu unsicher an, direktes Aussaugen sei sogar gefährlich. „Kleinste Mundschleimhautverletzungen des Ersthelfers könnten ihn in Lebensgefahr bringen.“ Hier muss umgehend tropenmedizinisches Personal ans Werk, das über den Einsatz eines vielleicht überlebenswichtigen Antivenoms entscheidet.
Kollegen haben v.a. zwei wichtige Aufgaben: Zuerst müssen sie den „Täter“ identifizieren. Fotos auf dem Smartphone helfen, oder die Betroffenen beschreiben die Tiere. Im Zweifel wissen die Experten der örtlichen Giftnotrufzentrale, um welche Gattung es sich handelt. Viele Patienten reagieren zudem mit Panik und Todesängsten auf einen Angriff, was sich negativ auf den klinischen Verlauf auswirkt. Deshalb sollten Kollegen sie nachhaltig beruhigen.
Zähnchenanzahl entscheidet über Toxizität
Jeder Biss birgt Lebensgefahr
Trotz des glimpflichen Ausgangs mahnt Dr. Montag, Bisse von Giftschlangen immer als lebensbedrohliche Notfälle anzusehen. Die enthaltenen Zytotoxine zerstören Gewebs- und Gefäßwände oft unmittelbar nach einer Attacke, es folgen Schwellungen, Blasen sowie kleinfleckige Einblutungen in Haut und Schleimhäuten. Schlimmstenfalls entstehen irreparable Nekrosen, die zum Extremitätsverlust führen.Quelle Text: Montag A. „Klapperschlangenbiss in einer deutschen Großstadt“ Flug u Reisemed 2017; 24: 269-272, DOI 10.1055/s-0043 -123063 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart