Corona NSCLC-Patient:innen zeigten Resilienz während der Pandemie
Tumorpatient:innen leiden besonders unter der Pandemie. Frühe Daten lassen vermuten, dass sie ein zweifach höheres Risiko haben, an COVID-19 zu sterben. Neue Erkenntnisse zu Corona und Krebs kommen aus den USA, Großbritannien und Deutschland.
Die Resilienz von Personen mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom stand im Fokus einer Studie von Nicole A. Arrato, Ohio State University in Columbus, und Kolleg:innen (s. Kasten).1 Bemerkenswerterweise waren bei den NSCLC-Erkrankten depressive und Angst-Symptomatik zum Zeitpunkt der Diagnose stärker ausgeprägt als während der Pandemie (p < 0,02). Patient:innen und gematchte Gesunde unterschieden sich nicht hinsichtlich Besorgtheit, Verständnis oder wahrgenommener Kontrolle über COVID-19.
Erfassung von Depressionen und Angstsymptomatik
Die Wissenschaftler:innen verglichen eine Kohorte von 76 NSCLC-Erkrankten, die bei Diagnose und während der Pandemie befragt wurden, mit einem Kontrollkollektiv von 67 soziodemographisch gematchten Gesunden. Sie erfassten die Wahrnehmung von COVID-19 durch die Betroffenen mit dem Brief Illness Perception Questionnaire, depressive Symptome mit dem Patient Health Questionnaire-9 und Angstsymptome mit der Generalized Anxiety Disorder-7-Skala; außerdem erhoben sie Daten zum Social Distancing.
Die Vergleichsprobanden erwarteten allerdings eine längere Dauer der Pandemie, praktizierten mehr soziale Distanzierung, waren besorgter hinsichtlich ihrer Familie und berichteten über eine ausgeprägtere psychologische Symptomatik. Die NSCLC-Erkrankten hingegen sahen bei geringerer Depressivität und Ängstlichkeit die Pandemie als eine kurzfristigere Bedrohung an und äußerten insgesamt weniger Bedenken in diesem Kontext als die Kontrollen.
Trotz diverser gesundheitlicher Stressoren zeigten die Tumorpatient:innen also erhebliche Resilienz, wenn sie während der Pandemie behandelt wurden. Trotzdem seien sie eine Population, die als psychologisch vulnerabel anzusehen ist, so die Autor:innen, und die während der Diagnose ebenso wie danach einer Unterstützung bedarf.
Systemtherapie verschlechtert COVID-Prognose nicht
In größerem Stil wird der Zusammenhang zwischen Krebstherapie und COVID-19 im prospektiven UK Coronavirus Cancer Monitoring Project untersucht.2 Forschende um Dr. Csilla Várnai von der Universität Birmingham schlossen in 69 Zentren 2.515 Erwachsene mit einer aktiven Krebserkrankung ein. Die Betroffenen hatten sich zwischen März und August 2020 eine COVID-19-Infektion zugezogen.
Die Mortalitätsrate betrug 38 %; sie schien, unabhängig von einer vorangegangenen systemischen Anti-Tumor-Behandlung, bei hämatologischen Erkrankungen höher zu sein. Dies galt insbesondere für akute Leukämien oder myelodysplastische Syndrome (Odds Ratio 2,16; 95%-KI 1,30–3,60) sowie Myelom oder Plasmozytom (OR 1,53; 95%-KI 1,04–2,26). Auch Lungenkrebs war signifikant mit einer gesteigerten COVID-19-bedingten Mortalität assoziiert (OR 1,58; 95%-KI 1,11–2,25). Nach statistischer Korrektur für wesentliche Störgrößen wie Alter, Geschlecht und Komorbiditäten fand sich aber kein Zusammenhang zwischen erhöhter Sterblichkeit und einer Chemotherapie in den vier Wochen vor der COVID-19-Diagnose. Patient:innen, die in diesem Zeitraum eine Immuntherapie erhalten hatten, wiesen sogar ein geringeres Mortalitätsrisiko auf (OR 0,52; 95%-KI 0,31–0,86).
Eine systemische Krebsbehandlung, so die Autor:innen, scheint die Prognose von COVID-19 nicht zu verschlechtern. Die Natur der onkologischen Erkrankung spielt aber offenbar sehr wohl eine Rolle.
Schutz vor Infektionen im Lockdown
Eine Chemotherapie bedeutet Immunsuppression und in der Folge ein erhöhtes Infektionsrisiko. Wie sich Social Distancing und das Tragen von Schutzmasken darauf auswirken, war bislang nicht bekannt, aber die allgemeinen Lockdown-Maßnahmen im Rahmen der Pandemie boten nun eine einmalige Chance, hierzu relevante Daten zu erheben. Die Deutsche Hodgkin-Studiengruppe nutzte dazu ihre über mehrere Jahre laufende HD21-Studie, in der Personen mit neu diagnostiziertem und fortgeschrittenem Hodgkin-Lymphom randomisiert entweder das aggressive eskalierte BEACOPP-Regime oder das BrECADD-Protokoll erhielten.
Dokumentiert wurden, wie ein Team um Anne Sophie Jacob von der Uniklinik Köln berichtet3, aufgetretene Infektionen während aller 911 eBEACOPP-Zyklen, die insgesamt 313 erwachsene Personen zwischen 2017 und 2020 erhalten hatten. In den Jahren 2017–2019 traten Infektionen in 131 von 670 Zyklen auf (19,6 %); dieser Anteil reduzierte sich während des Lockdowns im Jahr 2020 signifikant auf 30/239 Zyklen (12,6 %; OR 0,574; p = 0,024). Zwischen 2017 und 2019 hatten sich insgesamt 99 von 229 Betroffenen infiziert (43,2 %) im Gegensatz zu 20 von 83 Personen im Lockdown (24,1 %; p = 0,0023). Am stärksten war der Effekt im Fall von nicht näher spezifizierten Infekten, d.h. bei solchen, die wahrscheinlich weniger durch endogene als vielmehr durch im sozialen Umfeld übertragene Pathogene verursacht wurden.
Die Studie deutet darauf hin, dass Social Distancing und Masken Krebspatient:innen während einer Chemotherapie vor solchen Infektionen schützen können – nach Ansicht der Autor:innen Grund genug, Erkrankte, die derart aggressive Behandlungen erhalten, über solche protektiven Maßnahmen aufzuklären.
1. Arrato NA et al. J Natl Compr Canc Netw 2022; 20: 118–125; DOI: 10.6004/jnccn.2021.7076
2. Várnai C et al. JAMA Netw Open 2022; 5: e220130; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.0130
3. Jacob AS et al. Infection 2022; DOI: 10.1007/s15010-022-01765-3