Psychotherapie per App hat kaum Effekte
Quasi in Echtzeit lässt sich beobachten, wie rasant das Angebot von Gesundheitsapps wächst. Kaum ein Tag vergeht, an dem keine neuen Anwendungen in den jeweiligen Anbieterstores auftauchen. Das Potenzial für die psychotherapeutische Behandlung liegt dabei auf der Hand: Fast jeder besitzt mittlerweile ein internetfähiges Mobiltelefon. Zeit- und ortsunabhängig können damit niedrigschwellige Hilfen an Patienten angeboten werden.
Nur einer von fünf Anwendern profitiert
Gute Studien, die belegen, dass diese auch genutzt werden und effektiv sind, sucht man jedoch vergebens, schreiben Kiona K. Weisel von der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg und ihre Kollegen. Das Team hat deshalb 19 Studien mit insgesamt 3681 Teilnehmern in einer Metaanalyse zusammengetragen. Die getesteten Apps verfolgten unterschiedliche Interventionen, von Achtsamkeits- und Atemübungen über Strategien der Problemlösung bis hin zur kognitiven Verhaltenstherapie.
„Basierend auf dem gegenwärtigen Stand des Wissens lassen sich Smartphoneapps als alleinige psychologische Intervention nicht empfehlen“, fassen die Kollegen das Ergebnis zusammen. Zwar zeigten Anwendungen gegen Depressionen und zur Raucherentwöhnung jeweils signifikante Effekte im Vergleich zu den Kontrollbedingungen. Diese fielen insgesamt jedoch gering aus. Laut der Number-Needed-to-Treat müssen 5,43 bzw. 4,59 Patienten die Apps nutzen, damit einem Betroffenen geholfen wird.
Mobile Anwendungen werden nicht konsequent genutzt
Bei Angsterkrankungen, Suizidgedanken, selbstverletzendem Verhalten und Alkoholentzug fand sich überhaupt keine signifikante Wirkung. Zudem waren die Ergebnisse der ausgewerteten Studien sehr heterogen, merkten die Autoren an. Interessant sei allerdings, dass die Apps jeweils deutlich schlechter abgeschnitten hatten als andere webbasierten Interventionen. „Die technologischen Vorteile der Apps werden womöglich durch ihre Nachteile aufgehoben“, mutmaßen Kiona K. Weisel und Kollegen. Wohl teilweise durch die mangelnde externe Betreuung. Auch die Inkonsequenz, mit der viele Betroffene auf mobile Anwendungen zurückgreifen, könnte eine Rolle spielen.
Die Forscher glauben, dass sich die Apps – anders eingesetzt – vielleicht doch noch als sinnvolle Ergänzung erweisen: eingebunden in ein entsprechendes klinisches Setting und überwacht durch professionelle Therapeuten, die den Erfolg der Maßnahme überprüfen und im Bedarfsfall unterstützend eingreifen.
Quelle: Weisel KK et al. NPJ Digit Med 2019; 2: 118; DOI: 10.1038/s41746-019-0188-8