Reisemedizinische Beratung: Auch Trinkwasserdesinfektion thematisieren
Auch industriell abgefülltes Mineralwasser ist nicht immer über jeden Verdacht erhaben. In vielen Ländern mangele es an entsprechenden Qualitätsstandards, schreibt Dr. Lisa F. Timmermann vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der RWTH Aachen. Und mitunter werden leere Flaschen illegal neu befüllt und ein weiteres Mal verkauft. Wie kommt man also bei Outdoor-Aktivitäten, Trekkingtouren oder auf Fernreisen an unbedenkliches Trinkwasser?
Ein weltweit gängiges Verfahren, um sich selbst mit sauberem Wasser zu versorgen, ist die Desinfektion mit Chlor. Entweder macht man das mit Chlorverbindungen, die bei Wasserkontakt hypochlorige Säure (HOCl) als Wirksubstanz bilden. Oder man setzt auf Chlordioxid-Produkte (ClO2), die ihre Wirkung als molekulares freies Radikal entfalten. Für beide Varianten gilt: Zumindest bei kürzeren Aufenthalten sind die Tropfen und Tabletten die billigste Möglichkeit zur Wasserdesinfektion. Zudem sind die Mittel leicht und beanspruchen wenig Platz im Reisegepäck.
Innerhalb einer halben Stunde wirken diese Produkte gegen alle relevanten Bakterien und Viren. Auch Protozoen wie Giardia lamblia lassen sich mit beiden Chlorverbindungen abtöten, gegen Kryptosporidien hilft aber nur das Gas – sofern die verlängerten Einwirkzeiten von bis zu vier Stunden berücksichtigt werden.
Bei allen chlorbasierten Verfahren – Jodprodukte sind in Europa für die Trinkwasser-Desinfektion nicht zugelassen – müssen einige Einflussfaktoren beachtet werden. So wirkt Chlor in kaltem Wasser langsamer als in warmem. Pro Temperaturabnahme um 10 °C muss die Einwirkzeit vedoppelt werden. Zudem entscheidet der pH-Wert über den Erfolg der Maßnahme: Oberhalb von pH 8,5 sind HOCl-Bildner nahezu wirkungslos. In sehr saurem Wasser wiederum verflüchtigt sich die hypochlorige Säure als Chlorgas. ClO2-Produkte sind in dieser Hinsicht deutlich robuster und wirken bis pH 9 zuverlässig.
Bei der thermischen Desinfektion von Trinkwasser gilt laut Dr. Timmermann: Bei 100 °C bleibt schon nach einigen Sekunden bis wenigen Minuten kaum ein gefährlicher Erreger übrig. Bei niedrigeren Temperaturen muss die Einwirkzeit entsprechend verlängert werden. Selbst 65 °C Wassertemperatur sind der Autorin zufolge effektiv, wenn sie über eine halbe Stunde konstant gehalten wird. Zu beachten ist dabei, dass die Siedetemperatur mit zunehmender Höhe abnimmt, sodass gegebenenfalls die Koch- und Einwirkzeit verlängert werden muss.
Sollte all das nicht machbar sein, kann man das Wasser in Plastik- oder Glasflaschen in die Sonne legen und UV-A-Strahlung und Wärme ihren Dienst tun lassen, was allerdings nicht immer zuverlässig funktioniert. Bei klarem Himmel muss man sechs Stunden warten, bei Bewölkung zwei Tage. Immer vorausgesetzt, dass das Wasser absolut klar ist.
Andere Möglichkeiten bieten Filter, die allerdings verstopfen können und die man je nach Material vor Frost, Stößen und Erschütterungen schützen muss. Mikrofilter aus Keramik oder Glasfasern entfernen sowohl Protozoen als auch Bakterien. Hohlfaserfilter mit einem Porendurchmesser von 0,02 μm beseitigen auch Viren zuverlässig.
Für viele Desinfektionsgeräte fehlen unabhängige Studien
Inzwischen gibt es kompakte batteriebetriebene Geräte, mit denen sich unterwegs Wasser mittels UV-C-Strahlen desinfizieren lässt. Solange das Wasser klar ist und stets in Bewegung gehalten wird, können diese Apparate durchaus eine Alternative zu den herkömmlichen Methoden darstellen. Andere Beispiele sind Filter, die als Mundstück in eine Flasche integriert sind, oder akkubetriebene Handgeräte zur Ozon-Desinfektion. Für die wenigsten dieser Technologien gibt es aber unabhängige Studien, die die Wirksamkeit belegen.
Quelle: Timmermann LF. Flug u Reisemed 2019; 26: 212-219; DOI: 10.1055/a-1008-6294