Residualsymptom Schlappe Atemmuskeln durch COVID-19

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Normalerweise liegt der Kraftaufwand für einen Atemzug weit unterhalb der maximalen Kapazität der Muskulatur. Normalerweise liegt der Kraftaufwand für einen Atemzug weit unterhalb der maximalen Kapazität der Muskulatur. © tradol – stock.adobe.com

Klagt ein Patient nach akuter COVID-19 weiter über eine Dyspnoe, ist womöglich die Atemmuskulatur geschwächt. In diesem Fall lohnt sich ein entsprechendes Training.

Häufig berichten Menschen, die sich von der akuten COVID-19 erholt haben, über anhaltende Dyspnoe trotz normaler Lungenfunktion und unauffälligem Lungenparenchym. Auch Patienten, die nicht hospitalisiert waren, sind betroffen – je nach Studie zwischen 10 % und 70 % drei Monate nach der Infektion. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass COVID-19 die Atemmuskulatur in Mitleidenschaft zieht, berichten Forscher um Dr. Richard Severin von der University of Illinois in Chicago.

Normalerweise liegt der Kraftaufwand für einen Atemzug weit unterhalb der maximalen Kapazität der Muskulatur. Daher tolerieren Menschen eine erhöhte Muskelarbeit beim Atmen, etwa beim Sport, ohne Beschwerden.

Bei verringerter Kapazität der Atemmuskulatur, erhöhtem Widerstand in den Atemwegen oder reduzierter Lungendehnbarkeit kann jedoch die gleiche Arbeit Dyspnoe hervorrufen. Dr. Severin und Kollegen nennen verschiedene Möglichkeiten, wie sich COVID-19 negativ auf die Leistungsfähigkeit der Atemmuskeln auswirkt:

  • verminderte Kontraktilität der Atemmuskulatur
  • virusinduzierte Myopathie der Atemmuskulatur (Fibrose in Perimysium oder Epimysium)
  • Zwerchfelllähmung aufgrund einer Verletzung des Nervus phrenicus
  • ausgeprägte Atrophie und Schwäche aufgrund einer durch ein Beatmungsgerät verursachten Zwerchfelldysfunktion
  • vorbestehende Schwäche der Atemmuskulatur

Das am häufigsten verwendete Maß für die Beurteilung der Funktion der Atemmuskeln ist der maximale inspiratorische Druck (MIP). Hierfür werden die Patienten angewiesen, vollständig auszuatmen und dann eine maximale Inspirationsanstrengung von mindestens 1,5 Sekunden durchzuführen. Es werden mindestens drei und höchstens acht Versuche mit einer jeweils einminütigen Pause durchgeführt. Die Ergebnisse sollten nicht mehr als 10 % voneinander abweichen. Der höchste aufgezeichnete Spitzendruck, der mindestens eine Sekunde lang aufrechterhalten wurde, gilt als MIP.

Für ein Training der Atemmuskulatur gibt es sichere und effektive Möglichkeiten, betonen die Autoren. Diese führen zu einer verbesserten Lebensqualität, verringerter Atemnot und weniger Problemen bei Aktivitäten des täglichen Lebens.

Per Inspiration Widerstände überwinden

Es sollte eine evidenzbasierte Intervention ausgewählt werden, die an den Zustand des Patienten und seine Toleranz gegenüber den Übungen angepasst ist. Unter anderem hat sich das sogenannte „pressure threshold loading“ (PTL) bewährt. Bei dieser Technik müssen die Patienten inspiratorisch im Trainingsgerät einen Unterdruck erzeugen, der ausreicht, um eine vorher festgelegte Schwelle zu überwinden bzw. ein Ventil zu öffnen.

Studien kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen, was die optimale Trainingsintensität anbelangt; vermutlich liegt sie bei 40–50 % des MIP. Als effektiv hat sich vor allem ein Training zweimal am Tag erwiesen, das fünf- bis siebenmal in der Woche ausgeführt wird. Insbesondere bei Patienten mit COVID-19 könnte unter Umständen eine schrittweise Erhöhung des Trainingsvolumens sinnvoll sein, um die Verträglichkeit und Akzeptanz zu verbessern.

Quelle: Severin R et al. Eur Respir Rev 2022; 31: 220006; DOI: 10.1183/16000617.