Schwangerschaftsdiabetes: Ein- oder zweizeitig screenen?

Autor: Dr. Judith Lorenz

Prinzipiell existieren zwei verschiedene Ansätze zur frühzeitigen Diagnose der Gestationsdiabetes: ein zweizeitiger und ein einzeitiger Test. Prinzipiell existieren zwei verschiedene Ansätze zur frühzeitigen Diagnose der Gestationsdiabetes: ein zweizeitiger und ein einzeitiger Test. © iStock/MMPhotography

Dass man Schwangere auf Gestationsdiabetes screenen sollte, steht außer Frage. Mit welcher Methode dies am besten geschieht, wird aber heftig diskutiert.

Ein Gestationsdiabetes (GDM) birgt sowohl für die Mutter als auch für das Kind ein erhebliches Risiko. Unter anderem drohen hypertensive Schwangerschaftserkrankungen, eine fetale Makrosomie und neonatale Komplikationen. Gleichzeitig steigen Kaiserschnitt- und Totgeburtsrisiko. Um die Stoffwechselerkrankung frühzeitig diagnostizieren zu können, wird allen Schwangeren zwischen der 24. und etwa 28. Schwangerschaftswoche ein Screening angeboten.

Die optimale Strategie wird allerdings seit geraumer Zeit diskutiert. Prinzipiell existieren zwei verschiedene Ansätze: Ein zweizeitiger und ein einzeitiger Test. Der zweizeitige Suchtest wird im nicht-nüchternen Zustand durchgeführt. Die Patientin erhält zunächst eine Lösung mit 50 g Glukose.

Nur Frauen mit erhöhten Blutzuckerwerten nach einer Stunde oder klinischen Anzeichen eines GDM (auch bei negativem Test) müssen sich anschließend einem oralen Glukosetoleranztest (oGTT) im Nüchternzustand unterziehen. Beim einzeitigen Vorgehen erfolgt von vornherein ein 75-g-oGTT mit Blutzuckerbestimmung nüchtern sowie nach ein und zwei Stunden.

Die deutschen Mutterschaftsrichtlinien sehen seit 2012 ein GDM-Screening per 50-g-Test vor. Wegen der fraglichen Validität dieser Teststrategie bezüglich der perinatalen Endpunkte raten die deutschen Fachgesellschaften, die Deutsche Diabetes Gesellschaft sowie die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe allerdings zu einem einzeitigen Screening mittels 75-g-oGTT.

„Aktuell nicht zu rechtfertigen“

Dr. Teresa Hillier vom Kaiser Permanente Northwest in Portland und Kollegen haben die beiden Screeningstrategien nun im Rahmen einer randomisierten Studie miteinander verglichen. Mehr als 23 700 Schwangere nahmen an der Untersuchung teil. 16,5 % der Frauen, die von vornherein einen 75-g-oGTT absolvierten, aber nur 8,5 % der Schwangeren mit der zweizeitigen Strategie – bei auffälligen Werten im 50-g-Suchtest erfolgte ein dreistündiger 100-g-oGTT – erhielten die Diagnose Gestationsdiabetes.

Obwohl der einzeitige Test die Wahrscheinlichkeit für die Diagnose nahezu verdoppelte, unterschieden sich die beiden Vorgehensweisen kaum bezüglich der Endpunkte hypertensive Erkrankungen und Präeklampsie, primäre Sectioentbindung, überdurchschnittliches Geburtsgewicht sowie die Kombi aus Totgeburt, neonatalem Tod, Schulterdystokie und weiteren Geburtstraumata.

Ein einzeitiges GDM-Screening ist angesichts des fehlenden maternalen und perinatalen Nutzens aktuell nicht zu rechtfertigen, meint Professor Dr. Brian Casey von der University of Alabama im begleitenden Editorial.

Mütter und Gesundheitssystem werden zusätzlich belastet

Denn durch die fast verdoppelten GDM-Diagnosen würden sich zusätzliche Therapiebelastungen für einen Teil der Mütter (und das Gesundheitssystem) ergeben. Seiner Ansicht nach wären gezielte Interventionen für Frauen mit hohem Diabetesrisiko viel sinnvoller.

Quelle:
1. Hillier TA et al. N Engl J Med 2021; 384: 895-904; DOI: 10.1056/NEJMoa2026028
2. Casey B. A.a.O.: 965-966; DOI: 10.1056/NEJMe2100902
3. S3-Leitlinie „Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge“, AWMF-Register-Nr. 057-008