Sport und körperliche Arbeit trotz Stoma – was ist erlaubt?
Sport mit Stoma ist eindeutig erlaubt. Mindestens eine Stunde am Tag sollte den stoma-versorgten Patienten sogar dringend ans Herz gelegt werden, erklärte Privatdozent Dr. Henning Mothes von der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie am Sophien und Hufeland Klinikum Weimar. Patienten mit kolorektalen Karzinomen konnten in Studien durch regelmäßige sportliche Betätigung nicht nur ihren allgemeinen Gesundheitszustand und ihre Lebensqualität verbessern. Es ließen sich sogar das Gesamt- und das tumorspezifische Überleben steigern.
Trotzdem gibt es Faktoren, die sportliche Aktivitäten von Stomaträgern einschränken. Dazu gehören mögliche Nebenwirkungen einer Antitumortherapie – aber auch Umweltfaktoren wie unzureichende sanitäre Einrichtungen und mangelnde Akzeptanz in Sporteinrichtungen. Nicht zuletzt steht einer Aktivität oft auch die Angst vor Verletzungen und vor einer Beschädigung des Stomabeutels im Weg.
Damit sollte man seinen Patienten nicht alleine lassen, betonte Dr. Mothes. Beispielsweise helfen Physiotherapie-Rezepte, Selbsthilfegruppen, gesetzliche Regelungen wie Boni oder Zuzahlungen. Am besten wäre ein „Personal-Trainer“ mit Stoma-Erfahrung, der den Patienten ermuntert und mit Tricks und Tipps zur Seite steht. Ein offener Umgang mit dem Stoma im Familien- und Freundeskreis ist ebenfalls hilfreich.
Geräusche nicht immer vermeidbar
Grundsätzlich sollte jegliches Training leicht begonnen und dann langsam gesteigert werden. Auf Übungen und Sportarten, die mit hohem intraabdominalem Druck einhergehen wie Gewichtheben muss der Patient zwar verzichten – ansonsten darf er den Sport machen, der ihm Spaß macht.
Auch bei der Frage nach der möglichen Rückkehr in den Beruf geht es häufig um körperliche Belastungen, sagte Dr. Hartmut Pollmann, niedergelassener Internist und Rehabilitationsmediziner aus Bad Neuenahr-Ahrweiler. Zusätzlich müssen aber auch Faktoren wie Geräusch- und Geruchsentwicklung, notwendiger Versorgungswechsel, Gefahr der Ablösung sowie die Möglichkeit zur Irrigation berücksichtigt werden.
Während Geruchsentwicklungen bei den heute verwendeten Stomata kaum noch eine Rolle spielen, lassen sich die vor allem beim Ileostoma auftretenden Geräusche nicht immer abstellen. Durch Ernährungsberatung kann man zwar versuchen, das Problem zu reduzieren – in manchen Fällen ist aber z.B. eine innerbetriebliche Umsetzung in Bereiche ohne Kundenkontakt erforderlich.
Beim Bücken oder Hocken kann der Beutel abfallen
Die Häufigkeit des Versorgungswechsels variiert individuell – unterscheidet sich aber oft nicht wesentlich von der normalen Frequenz der Toilettengänge. Eine eigene Toilette im Betrieb kann dem Patienten sehr helfen. Potenziell problematisch sind dagegen Tätigkeiten mit aufwendig an- und auszuziehenden Schutzanzügen.
Normalerweise kann der Wechsel des Beutels in den arbeitsrechtlich vorgeschriebenen „Verteilzeiten“ (5 min pro Stunde) durchgeführt werden. Die Notwendigkeit „betriebsunüblicher Pausen“ sollte man dem Patienten möglichst nicht attestieren – oft ist das der Einstieg in die Erwerbslosigkeit.
Eine Ablösung des Stomabeutels droht vor allem bei starkem Schwitzen (z.B. unter Schutzanzügen, beim Arbeiten an Hochöfen etc.) oder beim Bücken und hockender Zwangshaltung mit Hautfaltenbildung. Von einer Wiederaufnahme solcher Tätigkeiten riet der Referent ab: In diesen Fällen wird eine innerbetriebliche Umsetzung nötig. Eine Alternative bietet allerdings eine Irrigation, die man einmal täglich über 45–60 Minuten durchführt. Sie ermöglicht 12–48 Stunden Stuhlfreiheit, Beutelwechsel und Geräuschbildung fallen weg und auch das mögliche Ablösen stellt in der Regel kein Drama mehr dar.
Heben von bis zu 45 kg wohl unbedenklich
Wie steht es um die Bauchdeckenbelastung? Den Leitlinien zufolge sollen Stomaträger wegen der Gefahr einer Stomahernie oder eines Prolapses keine Lasten über 10 kg tragen oder heben. Dies hielt Dr. Pullman für übervorsichtig und im Alltag wenig praktikabel: Beim Heben von 12 kg entstehe ein intraabdominaler Druck von etwa 6 kPa – beim Husten seien es locker 60 kPa. Außerdem gebe es wenig Evidenz dafür, dass schwere körperliche Arbeit und Heben nach Bauchschnitten tatsächlich zur Hernienbildung beitragen.
Risikofaktoren für parastomale Hernien sind vor allem die Notfallanlage, Hernienoperationen in der Anamnese, Alter, Übergewicht und Rauchen. Leichte bis mittelschwere Arbeiten auch mit Gewichten von 25–45 kg sind nach seiner Einschätzung folglich für Stomaträger möglich. Einen zusätzlichen Schutz könnten bei belastenden Tätigkeiten elastische Bandagen bieten. Um einer Schwächung der Bauchmuskulatur entgegenzuwirken, sollten diese aber immer nur so kurz wie nötig getragen werden.
Quelle: 34. Deutscher Krebskongress