Stammzelltransplantation zur Prävention vom AML?

Autor: Dr. Miriam Sonnet

Ist die präventive hämatopoetische
allogene Stammzelltransplantation eine Option? Ist die präventive hämatopoetische allogene Stammzelltransplantation eine Option? © nobeastsofierce – stock.adobe.com

Mehrere genetische Faktoren erhöhen das Risiko, an einer akuten myeloischen Leukämie zu erkranken. Eine hämatopoetische allogene Stammzelltransplantation könnte bei vorbelasteten Patienten einer Leukämie entgegenwirken – allerdings ist die Entscheidung dafür oder dagegen von zahlreichen Aspekten abhängig.

Dank molekularer Testungen werden immer mehr Personen mit Risikofaktoren für eine akute myeloische Leukämie (AML) identifiziert. Dies bringt allerdings auch Herausforderungen mit sich. So ist bisher unklar, wie man Menschen mit einem erhöhten Risiko für eine AML eigentlich behandeln sollte. Besonders bei einem erhöhten Risiko für eine plötzlich eintretende Erkrankung scheint dies schwierig zu beantworten.

Kayla V. Hamilton, St. Jude Children‘s Research Hospital, Memphis, und ihre Co-Autoren stellten sich die Frage, ob eine präventive hämatopoetische allogene Stammzelltransplantation (pHSCT) für solche Patienten eine Option sein könnte. In ihrem Kommentar diskutierten sie verschiedene Faktoren, die bei der Entscheidung für oder gegen eine Empfehlung zu dieser Behandlung beachtet werden müssten. Dass dies aber alles andere als einfach ist, zeige das Beispiel der CEBPA-assoziierten Prädisposition (fAML-CEBPA; siehe Kasten).

Lokalisation der Mutation kann entscheidend sein

Liegt eine Mutation im CEBPA-Gen vor, ist die Entscheidung für oder gegen eine pHSCT komplex: Befindet sich die Mutation im N-Terminus von CEBPA, so ist die Manifestationswahrscheinlichkeit einer AML etwa 90 %; bei einer Mutation im C-Terminus sind es nur ca. 50 %. Nimmt man nun an, dass
  • das krankheitsfreie Überleben nach einer HSCT in Individuen mit N- und C-terminaler fAML-CEBPA ähnlich wie das nach einer HSCT für Patienten mit sporadischer AML ist, d.h. ca. 50 %, und
  • dass die transplantationsbedingte Mortalität einer pHSCT bei etwa 15 % liegt,
so ist es wahrscheinlich, dass die pHSCT einen größeren Einfluss auf das Überleben für Personen mit N-terminaler fAML-CEBPA hat.

Liegt ein Syndrom mit einem erhöhten Risiko für myeloide Neoplasien vor, so kann man mit einer pHSCT durchaus gegensteuern. Außerdem kann die pHSCT immunologische Abnormalitäten korrigieren, z.B. eine GATA2-assoziierte MDS/AML, schreiben die Autoren. Allerdings sei das Risiko für die Entwicklung solider Tumoren mit einer pHSCT nicht verringert. Ein weiterer Aspekt ist das Alter der Betroffenen. So sprechen ältere AML-Patienten schlechter auf Chemotherapie und HSCT an als Kinder bzw. junge Erwachsene, erinnern die Wissenschaftler. Unklar sei bisher, in welchem Alter eine pHSCT überhaupt noch durchgeführt werden sollte.

Den perfekten Zeitpunkt zu finden ist schwierig

Daneben haben manche Patienten mit genetischen Prädispositionen ein erhöhtes Risiko für Toxizitäten nach AML-Therapien. Diese wiederum könnten eine HSCT verhindern oder ihr Outcome verschlechtern. Daher sei es wichtig, frühzeitig zu intervenieren – den geeigneten Zeitpunkt zu finden, ist dafür aber umso schwieriger.

Ethische Fragen nicht außer Acht lassen

Doch nicht nur medizinische Aspekte spielen bei der Entscheidung für oder gegen eine pHSCT eine Rolle, Ärzte müssten auch ethische Fragen berücksichtigen, so die Autoren. Ihr Fazit: Die Entscheidungsfindung ist ein schwieriger Prozess, der sowohl syndromspezifische und transplantationsbezogene Faktoren als auch patientenspezifische Aspekte berücksichtigen sollte.

Quelle: Hamilton KV et al. J Clin Oncol. 2019; 37: 2098-2104; DOI: 10.1200/JCO.19.00181