Zytogenetik zählt: Empfehlungen zu AML anpassen?
Mutationen im NPM1-Gen stehen seit 2005 für eine gute Prognose, wenn die Zellen der akuten myeloischen Leukämie (AML) keine Tandem-Duplikationen im FLT3-Gen (FLT3-ITD) aufweisen. Etwas später wurde gefunden, dass dies auch für Erkrankungen mit einer niedrigen Allel-Konzentration von FLT3-ITD gilt. In der ELN*-Leitlinie von 2017 wurde diesen Patienten eine gute Prognose zugesprochen – ohne Rücksicht auf sonstige (zytogenetische) Alterationen.
Dabei ist die Evidenz dafür relativ spärlich: Bislang wurden systematisch nur Patienten mit abnormer und normaler Zytogenetik verglichen. Zusätzlich zu den NPM1-Mutationen vorliegende Karyotyp-Anomalien mit definitiv ungünstigem Risiko wurden nicht getrennt analysiert (z.B. Deletionen/Monosomien von Chromosom 5 oder 7, 17p-Anomalien oder komplexe bzw. monosomale Karyotypen).
Auswirkungen auf die Therapiewahl
Diese Fälle sind vergleichsweise selten, aber eine ungünstige Prognose hätte erhebliche Konsequenzen vor allem für die Post-Remissionstherapie, betonen die Autoren um Dr. Linus Angenendt, Universitätsklinikum Münster. Bisher wird hier nämlich für Personen mit mutiertem NPM1 und fehlender oder niedrig konzentrierter FLT3-ITD keine allogene Stammzelltransplantation empfohlen, weil ihr Rezidivrisiko als gering gilt. Ob das tatsächlich auch bei ungünstigem Karyotyp gilt, untersuchten die Wissenschaftler nun in einer retrospektiven Studie.
Aus den Registern von neun Studiengruppen weltweit wurden die individuellen Daten von insgesamt 2426 Patienten mit AML und NPM1-Mutationen sowie fehlendem oder niedrig konzentriertem FLT3-ITD extrahiert. 2000 von ihnen hatten einen normalen (82,4 %), 426 (17,6 %) einen abnormen Karyotyp. Darunter waren 329 mit chromosomalen Aberrationen, die mit einem intermediären, und 83, deren Zytogenetik mit einem ungünstigen Risiko assoziiert waren.
Schlechteres Überleben auch nach multivariater Analyse
Ungünstiges Risiko sorgt für weniger Komplettremissionen
Nur letztere Gruppe unterschied sich von den beiden übrigen hinsichtlich der Prognose:- Eine Komplettremission war von den Patienten ohne abnormen Karyotyp in 87,7 % der Fälle und von denen mit intermediärem Risiko in 86,0 % der Fälle erzielt worden; von denen mit Hochrisiko-Karyotyp hingegen nur in 66,3 % der Fälle (jeweils p < 0,001).
- Die stärksten Unterschiede waren beim Fünf-Jahres-Gesamtüberleben (52,4 % vs. 44,8 % vs. 19,5 %; p < 0,001) zu beobachten sowie
- beim ereignisfreien Fünf-Jahres-Überleben (40,6 % vs. 36,0 % vs. 18,1 %; p < 0,01).
- Umgekehrt war das kumulative Fünf-Jahres-Risiko für ein Rezidiv bei den Patienten mit Hochrisiko-Zytogenetik am höchsten (43,6 % vs. 44,2 % vs. 51,9 %; p = 0,0012).
* European LeukemiaNet
Quelle: Angenendt L et al. J Clin Oncol 2019; 37: 2632-2642; DOI: 10.1200/JCO.19.00416