Subduralhämatom: Operieren oder nicht operieren?
Als neurochirurgisches Dilemma bezeichnet Privatdozentin Dr. Claudia Unterhofer von der Universitätsklinik für Neurochirurgie Innsbruck den Fall, wenn ältere Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma und akutem Subduralhämatom (aSDH) bewusstlos in die Klinik kommen. Kollegen sehen sich dann mit weitreichenden Fragen konfrontiert, die sie schnell beantworten müssen. Sollte man trotz des hohen Alters operieren? Welche OP käme infrage? Schließlich will man die Selbstständigkeit der Betroffenen so lang es geht bewahren – bei Hochbetagten aufgrund diverser Komorbiditäten und psychischer wie physischer Einschränkungen ohnehin problematisch.
85 % der befragten Chirurgen würden die Frau operieren
Was letztendlich die beste Option für den schwer verletzten Patienten ist, ist in der Akutsituation oft nicht leicht zu beantworten.
Mit dieser Thematik beschäftigten sich kürzlich Dr. Unterhofer und ihre Kollegen. In zwei Studien befragten sie Mitglieder der Deutschen und Österreichischen Gesellschaft für Neurochirurgie. Zunächst legten sie ihnen den Fall einer 81-jährigen Frau vor, die unter einer Cumarintherapie mehrfach gestürzt war.
Die Dame wurde vom Notarzt in ein peripheres Krankenhaus gebracht (8:00 Uhr). Nach erfolgtem Schädel-CT (8:11 Uhr) verlegte man sie in den Schockraum der Uniklinik. Dort verschlechterte sich ihr Zustand akut und sie musste intubiert werden. Die rechte Pupille war nach der Intubation erweitert. Ein zweites Schädel-CT (9:17 Uhr) zeigte ein raumforderndes akutes Subduralhämatom über der rechten Hemisphäre mit Mittellinienverlagerung nach links und Kompression der Hirnoberfläche. Zusatzdiagnosen: Aortenklappenstenose und Herzinsuffizienz.
Akutes Subduralhämatom
- initialer neurologischer Zustand
- ≥ 3 Komorbiditäten
- Antikoagulanzien
- Latenz zwischen Trauma und klinischer Verschlechterung
Das würden Ihre Kollegen tun
Im Anschluss beantworteten die Chirurgen elf Fragen zur Operationsindikation und zum Operationsausmaß, weitere fünf bezogen sich auf die sozialen Umstände der Patientin. Die Ergebnisse: 85 % der Kollegen würden zum Skalpell greifen. Ausschlaggebend für die Entscheidung zur Operation waren:- der Mittellinienshift (84 %),
- die kurze Latenz zwischen Trauma und Operation (81 %) sowie
- die Hämatomtiefe (81 %).
Das möchten ältere Patienten
In die zweite Umfrage schlossen Dr. Unterhofer und Kollegen die Antworten von 100 Hochbetagten über 75 Jahre ein. Sie baten diese, sich in die Situation der Patientin hineinzuversetzen und anschließend insgesamt 19 Fragen (acht zum Fall, elf zu persönlichen Daten) zu beantworten. Was dabei herauskam, stand in erheblichem Gegensatz zu den Aussagen der Neurochirurgen:- 51 % der geriatrischen Patienten würden eine OP ablehnen.
- 68 % wollten nicht operiert werden, wenn sie danach mit körperlichen Einschränkungen leben müssten.
- Wären postoperativ kognitive Einschränkungen zu erwarten, wollten 91 % nicht unters Messer.
Quelle: Unterhofer C et al. J Neurol Neurochir Psychiatr 2018; 19: 53-58