TAVI-Boom birgt neue Herausforderungen
Von 2008 bis einschließlich 2019 stieg die Rate an Transkatheter-Aortenklappen-Implantationen (TAVI) in Deutschland um fast 4000 % auf zuletzt 24 305, berichtete Professor Dr. Karl-Heinz Kuck vom LANS Medicum Hamburg. Zahlreiche randomisierte klinische Studien belegen die Gleichwertigkeit des minimal-invasiven Verfahrens, einige sogar die Überlegenheit.
Die TAVI gewinnt auch bei jüngeren Patienten immer mehr an Bedeutung, der Altersdurchschnitt sank in den letzten Jahren von 83,6 auf 73 Jahre. „Wir gehen davon aus, dass der Anteil an Jüngeren steigen wird, zumal viele informierte Patienten gezielt nach der TAVI fragen“, erläuterte der Kardiologe. Bei unter 75-Jährigen gibt es aber einige Herausforderungen. So sollte:
- die neue Klappe möglichst lange halten
- die Zahl an benötigten Schrittmachern niedrig sein
- wenig paravalvuläre Lecks auftreten
- der Zugang zu den Koronarien bei einer späteren KHK nicht behindert werden
Diese Faktoren lassen sich noch nicht optimal erfüllen. „Gerade die Schrittmacherzahlen sind noch zu hoch“, sagte Prof. Kuck.
Schwere exzentrische Verkalkung begünstigt Lecks
Bei der Entscheidung für oder gegen die TAVI spielen drei Kategorien eine Rolle: Patientenalter, Komorbiditäten und Anatomie/Morphologie der Klappe. „Alle drei müssen Berücksichtigung finden“, betonte Professor Dr. Thomas Walther, Klinik für Herz-, Thorax- und Thorakale Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Frankfurt.
Morphologisch gelten u.a. schwere exzentrische Kalzifizierungen, Extensionen des Annulus und bikuspide Klappen als problematisch. Solche Veränderungen treffen nicht selten Jüngere, bei denen die Verkalkungen früher eingesetzt haben und möglicherweise stärker ausfallen. „Diese Kalzifizierungen können auch paravalvuläre Lecks begünstigen und die Haltbarkeit der Klappen beeinträchtigen“, erklärte Prof. Walther. Langzeitdaten zur Beständigkeit der Implantate fehlen allerdings noch.
Trotz allem kann man die TAVI inzwischen als Goldstandard bezeichnen, meinte Professor Dr. Helge Möllmann, Klinik für Innere Medizin I am St.-Johannes-Hospital in Dortmund. Er stellte das Verfahren noch einmal aus Sicht des Patienten dar. Dieser möchte mit möglichst geringem Aufwand sicher und nachhaltig behandelt werden.
Geringer Aufwand und hohe Sicherheit sind durch Studien gut belegt. Beispielsweise lag die Rate an Ereignissen (Tod, Schlaganfall oder Rehospitalisierung) nach TAVI in der PARTNER-3-Studie deutlich unter der nach Operation. Was die Nachhaltigkeit angeht, deuten die bisher verfügbaren Daten darauf hin, dass die neue Klappe nach TAVI ähnlich „altert“ wie die klassisch eingesetzte, es also hier keine Nachteile gibt.
Quelle: 86. Jahrestagung und Herztage 2020 der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (Online-Veranstaltung)