Verdacht auf Sinusvenenthrombose – sofort ins MRT!
Bei der Pathophysiologie zerebraler Venen-/Sinusthrombosen (CVST) unterscheidet man zwei Mechanismen: Die gefährlichen Blutgerinnsel können sich entweder in den großen Sinus bilden, die für den venösen Transport des Liquors aus dem Subarachnoidalraum sorgen. Ein Thrombus in diesem Bereich erhöht den intrakraniellen Druck. Oder sie entstehen in kortikalen Venen, wo sie den Abstrom des Blutes aus dem Hirnparenchym verhindern, erläutert Professor Dr. Christian Weimar von der BDH-Klinik Elzach. Dadurch steigt der venöse und kapilläre Druck, was zu Stauungsblutungen und einer Störung der Blut-Hirn-Schranke führt.
Sinusvenenverschlüsse verlaufen oft klinisch stumm
Die prädisponierenden Faktoren ähneln denen peripherer Thrombosen (s. Kasten). Frauen zwischen 30 und 50 Jahren tragen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein etwa dreifach erhöhtes CVST-Risiko, und vielfach ereignet sich die Thrombose in der Postpartalphase. Bei etwa 10 % der Patientinnen bleibt die hormonelle Kontrazeption der einzige erkennbare Auslöser.
Risikofaktoren für Sinusvenenthrombosen
- Koagulopathien (z.B. Faktor-V-Leiden-Mutation)
- hormonelle Veränderungen (z.B. Pille, Postpartalphase)
- Malignome
- hämatologische Erkrankungen
- Kollagenosen (z.B. SLE, Sjögren)
- Vaskulitiden (z.B. M. Behçet)
- Diabetes
- Leberzirrhose
- M. Crohn, Colitis ulcerosa
- Herzinsuffizienz, Kardiomyopathie
- Gehirnerschütterung
- Infekte (z.B. Mastoiditis, Sinusitis)
- Medikamente (z.B. Chemotherapie)
Trotz intrakranieller Blutung antikoagulieren
Um eine klinische Verschlechterung und Komplikationen rechtzeitig zu erkennen, sollten Patienten mit CVST auf einer Stroke Unit behandelt werden. In der Akutphase wird die Gabe von vorzugsweise niedermolekularem Heparin in therapeutischer Dosierung empfohlen, auch wenn bereits eine intrakranielle Blutung vorliegt. Die Antikoagulation kann ein Fortschreiten der Thrombosierung verhindern und dafür sorgen, dass sich bereits durch die körpereigene Fibrinolyse geöffnete Gefäßabschnitte nicht wieder verschließen. Rund die Hälfte der Patienten mit zerebraler Venen- oder Sinusthrombose entwickelt ein Hirnödem. Die Therapie besteht auch in dieser Situation in einer effektiven Gerinnungshemmung, die den venösen Abstrom verbessert und damit den intrakraniellen Druck senkt. Die operative Dekompression wird für Patienten mit Parenchymläsionen (Stauungsödem, Hämorrhagie) und drohender Einklemmung empfohlen. Ersten Ergebnissen zufolge vermag diese Maßnahme die Mortalität zu senken, ohne die Zahl schwerstbehinderter Patienten zu erhöhen.Vorsicht bei Infekten
Prophylaxe für schwangere Genesene empfohlen
Frauen mit durchgemachter zerebraler Venen-/Sinusthrombose sollten auf eine orale Kontrazeption verzichten. Das Rezidivrisiko in einer erneuten Schwangerschaft ist gering. Dennoch wird für Gravidität und Wochenbett eine Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin angeraten.Quelle: Weimar C. Fortschr Neurol Psychiatr 2021; 89: 182-194; DOI: 10.1055/a-1323-1563