Experten ringen um Definition bei ILD Wann ist eine Lungenfibrose progredient?

Autor: Friederike Klein

Die Kriterien für eine progrediente pulmonale Fibrose müssen genau definiert werden, um Risikopatientinnen und -patienten frühzeitig zu behandeln. Die Kriterien für eine progrediente pulmonale Fibrose müssen genau definiert werden, um Risikopatientinnen und -patienten frühzeitig zu behandeln. © yavdat – stock.adobe.com

Patientinnen und Patienten mit fibrotisierender ILD jenseits der IPF benötigen regelmäßige Kontrolluntersuchungen, denn es droht eine progrediente pulmonale Fibrose. Uneinigkeit herrschte bislang über die Kriterien, an denen man dieses Stadium festmachen kann.

Bei einer interstitiellen Lungenerkrankung (ILD) mit nicht-idiopathischer Fibrose birgt ein Progress ein ähnlich hohes Mortalitätsrisiko wie eine alleinige ideopathische Fibrose (IPF), berichtete Prof. Dr. Vincent Cottin vom Nationalen Referenzzentrum für seltene Lungenerkrankungen der Universität Lyon. Doch wann liegt eine progrediente pulmonale Fibrose (PPF) vor? Die Kriterien müssen genau definiert werden, um Risikopatientinnen und -patienten frühzeitig identifizieren und eine Indikation für eine antifibrotische Therapie stellen zu können. Idealerweise sollten sie mit Methoden aus dem klinischen Alltag zu erfassen sein und verlässlich die Prognose vorhersagen, erläuterte der Experte. In der INBUILD-Studie war ein Krankheitsprogress definiert durch eine der folgenden Konstellationen in den vorangegangenen 24 Monaten:

  • relative Abnahme der forcierten Vitalkapazität (FVC) um ≥ 10 % vom Soll
  • relative Abnahme der FVC um ≥ 5 bis < 10 % vom Soll bei gleichzeitiger Zunahme der Fibrosezeichen in der HRCT
  • relative Abnahme der FVC um ≥ 5 % bis < 10 % vom Soll bei gleichzeitig verschlechterten Atemwegssymptomen
  • gleichzeitige Verschlechterung der Symptome und Zunahme der Fibrosezeichen in der HRCT

Nach den Ergebnissen in der Placebogruppe zu urteilen, erschienen alle vier Konstellationen geeignet, um Patientinnen und Patienten mit einer PPF zu identifizieren, sagte Prof. Cottin. Die Abnahme der FVC war jeweils erheblich. Auch in Real-World-Studien identifizierten diese Kriterien Patientinnen und Patienten mit einer schlechten Prognose.

Die aktuelle Leitlinie amerikanischer, europäischer und japanischer Fachgesellschaften (ATS, ERS, JRS, ALAT) definiert eine PPF allerdings anders. Bei ILD (exkl. IPF) mit radiologischem Nachweis einer Lungenfibrose sollen für die Diagnose einer PPF mindestens zwei der folgenden Kriterien im zurückliegenden Jahr erfüllt und nicht anderweitig erklärbar gewesen sein:

  • Verschlechterung der Atemwegssymptome
  • physiologische Anzeichen für ein Fortschreiten der Erkrankung, d. h. absolute Abnahme der FVC um ≥ 5 % oder absolute Abnahme der DLCO** (Hb-korrigiert) um ≥ 10 %
  • radiologische Anzeichen für einen Progress (eines oder mehrere von sechs definierten Kriterien)

In der RELIEF-Studie wurden wiederum andere Einschlusskriterien verwendet. Der Vergleich zeigt, dass sie nur teilweise überlappen, für die Prognose sind sie aber alle in ähnlicher Weise prädiktiv. Unter dem Strich gilt am Ende: Wenn eine Verschlechterung eintritt, ist das Risiko für eine PPF hoch, egal welche dieser Kriterien angelegt werden, stellte Prof. Cottin fest.

Ein aktueller Delphi-Konsensus, der bislang nur auf einem Kongress vorgestellt wurde und noch nicht publiziert ist, widmete sich den in der Klinik relevanten Fragestellungen, wie Prof. Cottin berichtete. Demnach sind für die meisten im Krankenhaus tätigen Ärztinnen und Ärzte die FVC- und die DLCO-Abnahme als Parameter am relevantesten. Eine Hospitalisierung wegen Atemwegsbeschwerden oder ein Gewichtsverlust spielen bei der Feststellung eines Progresses die geringste Rolle. Drei Viertel der Abstimmenden sprachen sich dafür aus, dass ein Progress in der HRCT, der nicht anderweitig erklärt werden kann, eine PPF anzeigt. Steht nur eine normale CT zur Verfügung, muss von Fall zu Fall individuell entschieden werden. Eine Abnahme der FVC um ≥ 10 % vom Ausgangswert ohne andere erkennbare Ursache ist für viele ein guter Marker für einen Progress der Lungenfibrose.

Das Expertengremium kam überein, dass es bei einer ILD unabhängig von der Zeit seit Diagnosestellung zum Progress kommen kann. Dagegen gab es keine Einigung über den Zeitraum, in dem ein potenzieller Progress überprüft oder wie häufig bestimmte Parameter gemessen werden sollen. Die Mehrzahl der Teilnehmenden stimmte zu, dass auch kleine Verschlechterungen in vielen verschiedenen Parametern auf einen Progress hindeuten. Zudem erachteten sie es als notwendig, sich bei Verschlechterung eines isolierten Kriteriums nicht auf eine einzige Messung zu verlassen. Vielmehr müsse für die Definition eines Progresses ein Trend erkennbar sein. Ein konsistenter Trend der FVC-Abnahme gilt unter klinisch Tätigen als der robusteste und nützlichste Parameter zur Feststellung eines Progresses, betonte Prof. Cottin.

*European Respiratory Society
**CO-Diffusionskapazität

Quelle: ERS* Congress 2024